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all along the litauer von WIGLAF DROSTE

Gerdis Haffmanauskas ist wieder da. Ein Jahr lang war der Felix Schmull des Literaturbetriebs in einer Art Zwangsversenkung verschwunden. Nun kehrt Haffmanauskas zurück, mit einer Edition bei Zweitausendeins – und ist sofort wieder Messegespräch: Wie schafft man es, dieser Pestpustel fünf Messetage lang zu entgehen?, fragen sich Dutzende von Autoren, die Haffmanauskas jahrelang unter falschem Namen ausnahm wie litauisches Federvieh.

Darüber kann Haffmanauskas noch heute herzhaft lachen. Mit der Eleganz einer Pfütze Rapsöl breitet er sich in Frankfurt aus. Wer wegläuft, den holt er ein – oder lässt ihn von seinen litauischen Schergen greifen und zum Zweitausendeins-Stand zerren. Dort hält Haffmanauskas Hof, litauischer Duodezfürst und hemdsärmeliger Duzkumpel in einer Person; unter seinen sanftsatten Augen baumeln stattliche Tränensäcke. „Es hat keinen Zweck, seine Identität zu verleugnen“, sagt Haffmanauskas. „Ich bin nun mal durch und durch Litauer, und ich stehe dazu.“ Geräuschvoll zieht der Verleger seinen Schnodder die Nase hoch und speit eine grün-gelbe Aule auf den Boden. „Das dürfen meine neuen Autoren aufwischen.“ Haffmanauskas lacht ausgiebig über seinen typisch litauischen Witz. „Der Herrndorf macht das sogar richtig gerne.“

Vorbei die Zeiten, in denen Zeit, Literarische Welt und Fit for Fun Haffmanauskas unisono als „Richard Clayderman der deutschsprachigen Prosa“ feierten – vorbei, verweht, nie wieder … Auch seine legendären Gelage in der Zürcher „Kronenhalle“ wird es nicht mehr geben: Während die geladenen Autoren sich als Gäste wähnten und fröhlich futterten, entkam Haffmanauskas durch das Toilettenfenster, nicht ohne allerdings an der Wand einen seiner Lieblingssätze zu hinterlassen: „Der Schriftsteller ist der natürliche Feind des Verlegers – kostet Geld und nervt.“ Dass auch dieser Satz gestohlen war, verstand sich bei Haffmanauskas von selbst; „Ehrensache“ hätte er das genannt.

Seine Messekonferenz ist gut gefüllt: Autoren in Eisen, Anwälte in Rudelstärke, Schnittchenschnapper vom Feuilleton, alle werden zur Kasse gebeten. Haffmanauskas ist in Nehmerlaune. Die Fesseln der Zurückhaltung, die ihn jahrzehntelang von wahrer Selbstverwirklichung trennten, hat er abgelegt – in der litauischen Hauptstadt Oslo, der Perle unter den Vampirhöhlen der Welt, fand er ganz zu sich. „Litauen ist Literatur! Ich bin Litauen! Ich bin Literatur!“, shoutet Haffmanauskas wulstig, fetzt einem sichtlich geschändeten Huhn mit roher Hand den Kopf ab, setzt an, säuft es aus, als wäre es eine Kanne vom besten selbst gekelterten Kartoffelwein, wischt sich mit dem Handrücken die stabilen Lippen ab und wirft den ausgebrauchten Kadaver seinem Geldgeber Lutz Kroth vor die Füße. „Da – massier dein Tier!“, höhnt Haffmanauskas noch, dann packt ihn Melancholie und treibt ihn der Selbstbezichtigung in die Arme. „Mit wem hat keine Frau Spaß? Mit Gerdis Haffmanauskas!“, schwört er, rülpst und beginnt zu weinen. Etwas Hühnerblut rinnt seinen rechten Lefzen hinab. Litauens Literatur lebt.

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