alexanderplatz : Reichlich später Sinneswandel
Bemerkenswert: Der Kapitalismus verhindert – vorerst – genau das, was viele seiner Kritiker seit der Wende befürchten. Dass im Zentrum des Ostteils der Stadt, am Alexanderplatz, so etwas wie ein zweites Manhattan entsteht. Mit riesigen Wolkenkratzern und horrend hohen Mieten.
KOMMENTAR VON RICHARD ROTHER
Der Grund für den Rückbau der Planungen ist denkbar einfach und hat nichts mit den sonst üblichen Debatten über Architektur und Ästhetik zu tun: Es rechnet sich am Alex einfach nicht. Bei einem Leerstand von hunderttausenden Quadratmeter Büroflächen, die in der Nachwende-Euphorie errichtet wurden, und sinkenden Immobilienpreisen ist das auch kein Wunder. Vernünftig ist deshalb, dass die Investoren darauf verzichten, eine „Phalanx von 150 Meter hohen Häusern hinzustellen“, die nicht vermietet werden können. Es bewahrt das Land Berlin nämlich auch davor, im Fall des Falles für Fehlinvestitionen mit aufkommen zu müssen.
Wohin diese führen können, lässt sich auch am Alex erahnen, wenn man den Blick von Springbrunnen, Würstchenverkäufern und Toilettenhäuschen abwendet. Just inmitten des neuen Spree-Manhattan residiert die Bankgesellschaft Berlin – jenes Kreditinstitut, dessen Manager noch auf einen boomenden Immobilienmarkt spekuliert hatte, als das Platzen der Blase längst absehbar war.
Nach der Risikoübernahme durch den Senat wird die Berliner Bevölkerung dafür nun noch jahrzehntelang zahlen. Und die ehemalige Großbank wird zurechtgestutzt auf ein regionales Kreditinstitut – man könnte auch sagen: auf eine Art Stadtsparkasse. Wird der Alex umgebaut wie jetzt geplant, passt wenigstens das Umfeld dazu. Schlimm ist das nicht, im Gegenteil. Nur kommt der Sinneswandel reichlich spät.