Zypern kurz vor Zahlungsunfähigkeit: „Alles unter Kontrolle“
Die Gelder des Rettungsschirms fließen frühstens Anfang 2013. Um die Dezembergehälter zu zahlen, muss Zypern sich bei Staatsfirmen Geld leihen.
BERLIN taz | Zypern hat seine Zahlungsunfähigkeit nur knapp abwenden können. Weil das Euroland noch bis mindestens Januar 2013 auf Zahlungen aus dem EU-Rettungsfonds warten muss, geht der Regierung das Geld aus. Nach Angaben des Finanz-Staatssekretärs Christos Patsalides stehen unter anderem Schuldenrückzahlungen in Höhe von 250 bis 300 Millionen Euro an. Insgesamt beträgt das kurzfristige Finanzloch offenbar 420 Millionen Euro.
Um die Dezember-Löhne der Staatsangestellten zahlen zu können, griff das Finanzministerium tief in die Trickkiste. In der Nacht zum Dienstag sagten mehrere staatsgeführte Unternehmen der Regierung Kredite zu. Das Stromunternehmen ECA und die Telekommunikastionsfirma CYTA zahlen jeweils kurzfristig 100 Millionen Euro. Zusammen mit kleineren Firmen will man so das Finanzloch kurzfristig stopfern.
Dazu kommen dem Vernehmen nach kurzfristige Kredite ausländischer Banken, über deren Konditionen nichts bekannt wurde. Sie dürften jedoch mit hohen Zinsen verbunden sein, denn Zypern ist wegen der Bankenkrise seit zwei Jahren vom internationalen Kreditmarkt abgeschnitten. „Es besteht keine Gefahr. Alles ist unter Kontrolle“, sagte ein ranghoher Mitarbeiter des Finanzministeriums der Agentur dpa.
Allerdings bergen die Notkredite, die offenbar erst auf starken Druck gegeben wurden, ein ungewöhnliches Risiko. Das Geld stammt aus den Pensionsfonds der Unternehmen. Sollte Zypern doch noch seine Zahlungsunfähigkeit erklären müssen, wären die Renten von vielen Tausend Arbeitnehmern in Gefahr. Am Montag protestierten Arbeiter von CYTA in er Nähe des Parlaments in Nikosia. Die Gewerkschaft bezeichneten den Kredit als „unakzeptabel und illegal“, Angestellte kündigten mehrere Klagen an.
Ursprünglich wollte die EU der Zahlung eines Rettungskredits von 17,5 Milliarden Euro am letzten Wochenende vereinbaren. Es kam jedoch zu keiner Einigung. Vorgesehen ist, dass sich die Anleger von zypriotischen Banken, darunter viele russische Staatsbürger, an der Bankenrettung beteiligen sollen. Nach einem BND-Bericht soll sich darunter viel Schwarzgeld befinden. Jetzt will die EU frühestens im Januar über einen Kredit entscheiden.
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