Zwist unter Demokraten: Bill Clinton stänkert gegen Obama
Im US-Wahlkampf bereitet das Ehepaar Clinton dem demokratischen Kandidaten Barack Obama erneut Sorgen.
Nicht einmal mehr 100 Tage vor der US-amerikanischen Präsidentschaftswahl ist der Wahlkampf zwischen dem Republikaner John McCain und dem Demokraten Barack Obama in eine Phase ausgesuchter Absurdität eingetreten. Zehn Tage lang hatte Obama mit seiner Auslandsreise, die ihn unter anderem an die Berliner Siegessäule führte, die Berichterstattung in den US-Medien dominiert. John McCain versuchte sich in der Zeit mit abseitigen Auftritten vor Kleinstpublikum und neidisch-hämischen Fernsehspots über die Popstar-Allüren Obamas über Wasser zu halten. Dass seit Obamas Rückkehr die Debatte auf das Thema Energieversorgung umgeschwenkt ist, kann insofern als inhaltliche Bereicherung angesehen werden - selbst wenn beide Kandidaten ihre Positionen ständig anpassen und immer neu definieren.
Allerdings: Es blieb im Obama-Lager nicht unbemerkt, dass McCain Stück für Stück auf Argumentationsmuster und Vorwürfe gegen Obama zurückgriff, die Hillary Clinton in ihrem monatelangen Kampf mit Obama um die demokratische Nominierung benutzt und in den Köpfen der Menschen verankert hatte. Obama der junge, Obama der unerfahrene, Obama der, der nur reden kann. Offenbar hat diese Linie Erfolg gehabt: Denn während eigentlich alle Medien die Auslandsreise Obamas als extrem erfolgreich beurteilten, bewegten sich die ständig laufenden Umfragen der verschiedenen Meinungsforschungsinstitute entweder gar nicht oder eher in Richtung McCain.
Aber nicht nur die frühere Argumentation der Clintons kommt erneut ins Spiel: Nur noch gut zwei Wochen vor dem demokratischen Nominierungsparteitag in Denver melden sich auch die Clintons selbst wieder zu Wort. Während einer Afrikareise diskutierte Bill Clinton in Liberia mit dem Sender ABC News, wie er die Vorwahlen und den Kandidaten Obama heute sieht. Auf die Frage, ob er Obama für qualifiziert halte, sagte Clinton, die Verfassung etabliere bestimmte Kriterien, und die erfülle Obama. Er ist älter als 35 Jahre und in den USA geboren. Aber ob Obama denn bereit sei, Präsident zu sein? Niemand, antwortete Clinton, sei wohl je bereit für diesen Job. Das ist so ziemlich die schlimmste Unterstützung, die ein Kandidat bekommen kann.
Gleichwohl wird Bill Clinton am dritten Tag des Parteitages sprechen - offenbar halten es Obama-Team und Parteiführung für riskanter, den Clintons gar keine Rolle zu geben. Fast gleichzeitig mit dem Bill-Clinton-Interview, das am Montag dieser Woche ausgestrahlt wurde, tauchte auf der Videoplattform YouTube ein Clip von einem Auftritt Hillary Clintons kürzlich in Kalifornien auf. Darin wird sie gefragt, ob nicht beim Parteitag ihr Name auf den Wahlzetteln stehen sollte - und statt zu widersprechen, sagt sie, sicher, jede Stimme müsse gehört werden. Noch immer stiehlt sie Obama die Aufmerksamkeit, wo sie nur kann.
Unklar bleibt dabei, ob Hillary Clinton sich noch Hoffnungen auf den Job der Vizepräsidentschaftskandidatin macht. Während Obama angekündigt hat, seine Wahl erst kurz vor dem Parteitag bekannt zu geben, könnte John McCain nahezu täglich seinen Mitstreiter vorstellen. Mangels anderer Großthemen haben die Zeitungen in den USA inzwischen nahezu jede auch nur denkbare Variante eruiert und ausdiskutiert. Dabei gelten als wirklich sicher nur die Rahmendaten: John McCain, der 71-jährige Weiße, braucht auf jeden Fall jemand deutlich jüngeren an seiner Seite, womöglich eine Frau, womöglich jemand mit Migrationshintergrund. Und Barack Obama, der gerade 47 Jahre alt gewordene Schwarze, wird mit Sicherheit auf eine erfahrene, ältere Person weißer Hautfarbe setzen. Darüber hinaus jedoch darf spekuliert werden.
Spätestens mit dem Demokratenparteitag ab 24. August - die Republikaner tagen eine Woche später in Minnesota - fängt die Schlussphase im Rennen ums Weiße Haus an. "Seit ich meinen Wahlkampf begonnen habe, sind Kinder geboren worden, und sie können inzwischen laufen und reden", sagte Obama neulich auf einer Wahlkampfveranstaltung. Obama hat recht: Der Kampf um die Nachfolge George W. Bushs, eines der unbeliebtesten Präsidenten der US-amerikanischen Geschichte, kann sich ganz schön hinziehen.
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