: Zwischen zwei Großen
Supermächte möchten Kontrolle in Europa behalten ■ E U R O F A N
Das Problem der Vereinigten Staaten ist heute, wie sie die Kontrolle über Europa aufrechterhalten können. In der Vergangenheit hat die UdSSR mit ihrer Feindseligkeit und ihrem mitunter drohenden Verhalten eine ausreichende Begründung für eine Allianz gegeben, die Atlantische, die einem Protektorat nicht unähnlich war. Mittlerweile hat sich die Lage grundlegend geändert (weil, zumindest mittelfristig, ein sowjetischer Angriff nicht zu erwarten ist), doch die Sowjetunion kann, jedenfalls nach Ansicht von Präsident Bush und seinen Beratern, auch weiterhin eine entsprechende Funktion ausüben - nicht mehr als Feindin, sondern als Verbündete: Sie soll nun Europa in eine Absprache der Supermächte einbinden - man könnte auch sagen: hineinzwingen -, die die Initiativen und Expansionsmöglichkeiten Europas einschränken.
Dieses Projekt ist jedoch wahrscheinlich zum Scheitern verurteilt, weil Deutschland in absehbarer Zeit mit Sicherheit eine eigene politische (und vielleicht auch militärische) Identität entwickeln wird, und weil die Wiederentstehung Deutschlands zusammen mit der Strukturkrise der Sowjetunion den Gesamtrahmen des Kontinents grundlegend verändern wird. Weshalb die Europäer, statt sich über die Großzügigkeit Bushs gegenüber Gorbatschow zu wundern oder über das entstehende Klima des gegenseitigen Wohlwollens zwischen den beiden in Begeisterung auszubrechen, sich ein wenig stärker bewußt machen sollten, welche Gedanken hinter dieser neuen, embryonalen Heiligen Allianz stehen
Antonio Gambino
Gambino ist Mitarbeiter des Magazins 'l'Espresso‘, wo er wöchentlich sein „Internationales Tagebuch“ schreibt
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