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Zwischen schrill und konservativ

■ Verdis „La Traviata“ vom „Music Theatre London“ feierte Premiere in den Kammerspielen

Giuseppe Verdis Oper La Traviata fiel bei ihrer Uraufführung 1853 in Venedig gnadenlos durch. Die Schuld an diesem Desaster wurde der Hauptdarstellerin zugeschrieben, einer üppigen Italienerin, der man die Schwindsucht und das langsame Dahinsiechen Violettas einfach nicht abnahm.

Am Dienstag abend hatte La Traviata, gespielt vom Music Theatre London, Premiere in den Kammerspielen. Das Libretto auf englisch, die Musik von einem Quintett im Bühnenhintergrund – unter der musikalischen Leitung von Tony Britten am Flügel strichen vier Damen Cello, Viola, Baß und Violine –, und die Violetta tatsächlich dünn wie ein Strich.

Die Oper wurde in die heutige Zeit versetzt: Eine Clique durchgeknallter Jungreicher, Typ Werbetexter, führt ein ungesundes Partyleben. Alfredo (Tim Godwin) kann Violetta (Mary Lincoln) von seiner Liebe überzeugen und zieht sich mit ihr zurück. Das Idyll zwischen hübsch-bürgerlichen Möbeln und von „Sainsbury's“ gesponsorten Einkaufstüten geht nicht lange gut. Alfredos Vater (David Burt) zerstört das junge Glück. Da Liebe in der Oper jedoch nicht vergänglich ist – und man braucht ja einen Schluß! – stirbt Violetta letzlich an ihrer Schwindsucht.

Von Anfang an ergibt sich bei dieser Inszenierung der Eindruck, als würde Regisseur Nick Broadhurst seinen Verdi wirklich schätzen. So begegnet er ihm mit Respekt, erstaunlich viel klassische Oper ist zu sehen.

Aber um eben auch ein jüngeres Publikum zu erreichen und um sich erst gar nicht ein muffiges Operngewand anzulegen, wird das Stück mit einigen grellen Effekten aufgepeppt. Da gibt es eine kleine Travestieszene und hier und da deutliche sexuelle Anspielungen. Kein Problem, würden nicht die Stellen, die ohne solche Modernisierungen auskommen müssen, zwangsweise im Publikumsinteresse abfallen.

Der äußerst wichtige Dialog zwischen Violetta und dem Vater ihres Geliebten wird so den Zuschauern schon fast zu lang. Schließlich sind sie wegen etwas Schrillem in die Kammerspiele gekommen. Und die leise Instrumentierung, gekoppelt mit den nicht sonderlich voluminösen Stimmen, kann auch nicht minutenlang fesseln, wenn denn gerade nichts auf der Bühne passiert.

So ähnelt das Stück oft einer Gratwanderung zwischen klassischem Verdi und einem modernen Gesellschaftsreißer. Es wird zwar artig applaudiert, aber so richtig begeistert ist weder die eine noch die andere Publikumsfraktion.

Stephan Pflug

Kammerspiele, bis 3. Juli, täglich außer montags, 20 Uhr

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