: Zwischen die Augen
■ Clint Eastwood als John Huston in „White Hunter, Black Heart“
Cannes (taz) - Die Filme von Clint Eastwood genießen in maßgeblichen Pariser Kritikerkreisen eine fast kultische Verehrung. Der Kult beruht auf einer Verwechslung von Bild und Person. Es gibt eine Art kindliches Entzücken darüber, daß der eiskalte Dirty Harry aus den Italo-Western der 60er Jahre, der so unvergleichlich in die Sonne blinzelte, am Zigarrillo sog und dabei mit links seinen Gegner zwischen die Augen schoß, so etwas wie menschliche Regungen zeigt. Dafür wird ihm hier alles verziehen.
Ich erinnere mich noch, wie seine letzten Filme in Cannes aufgenommen wurden, was für metaphysische Gebäude auf seinen hübschen Spätwestern Pale Rider gestellt wurden und welche Andacht Bird entgegenschlug, seinem Film über Charlie Parker. In seiner 14. Regie, White Hunter, Black Heart, spielt Eastwood niemand geringeren als John Huston selbst, der in Afrika seinen abenteuerlichsten Film vorbereiten soll, African Queen, aber eigentlich viel lieber einen richtigen Elefanten, mit Stoßzähnen bis zum Boden, erlegen würde. Ein heikles Unterfangen, vor allem, weil Eastwood sich selbst als Huston vollkommen fehlbesetzt hat. Interessant: Auch Eastwood selbst scheint noch am Image als Dirty Harry zu laborieren. Er will da raus. Endlich Herz zeigen will er, als Haudegen Huston den Rauhen-aber -Herzlichen spielen. Aber wie er durch die Savanne stakst? Wie schwer es ihm fällt, eine auch nur etwas ausholende Geste zu machen? Und das schwerste von allem: Lächeln, gar Lachen? Vollends außerhalb seiner Reichweite aber liegt Hustons Dämonie, wie man sie in Chinatown bewundern konnte. Der Film ist Eastwood zu einer naiven, darum aber nicht unbedingt sympathischen Selbststilisierung geraten. Es gibt ein paar Szenen mit unangenehmem Beweischarakter, in denen Eastwood zeigen möchte, daß sein Herz für die Schwarzen schlägt, daß er kein Antisemit ist - dafür ist er gerade in dieser Szene nebenbei und symptomatischerweise böse frauenfeindlich - und daß er im Grunde auch gegen Elefanten nicht das Geringste einzuwenden hat. Woran sich eine fatale Konsequenz knüpft: Am Ende hat Eastwood/Huston den ersehnten Elefanten vor der Flinte. Er zielt - und läßt ab, aus Mitleid.
Daraufhin überrennt der Elefant den von Eastwood/Huston persönlich hochgeschätzten schwarzen Jagdführer. Moral und Eastwood: Das geht nicht zusammen. Um einen Elefanten zu töten, so heißt es an einer Stelle im Film, muß man ihm genau zwischen die Augen schießen.
Thierry Chervel Siehe auch Kulturseiten
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