Zwischen den Rillen: Tagesfreizeit mit Sex
■ Schon wieder ein Doppelalbum von Prince
„My name is Prince“, verkündet der Sänger gleich zu Beginn der ersten Zeile, und es scheint wirklich, als sei Prince nun endgültig bei sich selbst am besten aufgehoben. Fünf Jahre nach „Sign O' The Times“ hält der musikalische Niedergang im allgemeinen Eddy-Murphyismus unvermindert an. Mehr noch als bei Madonna ist hier der Mainstream nach allen Seiten offen, werden Soul, Pop und Funk weniger verschmolzen als in einer längst gesättigten Lösung stillgestellt. Von der ehemals augenzwinkernden Parodie auf die Leiblichkeit ist nur noch eine Reflexbewegung mit dem Mikrofonständer übriggeblieben: Phalleluia „and all love 2 God“. Aber nicht einmal den mag der Seidenlakenmanierist in den liner notes mehr grüßen.
Vielleicht schämt er sich wegen der nichtssagend-unanständigen Texte. Der liebe Gott hört und sieht ja bekanntlich alles. Sicher weiß er auch, daß Prince seine weiterhin ungebremsten Verkaufszahlen einzig dem Sprachfundus unterhalb der Gürtellinie verdankt. Mit „Sexy M.F.“ ist es ihm zumindest gelungen, mit zweideutigen Buchstaben das Unbewußte zu bedrängen. Aber „Motherfucker“ allein genügt nicht, Roger Nelson zieht es trendtriebgerecht zur Zweitbeziehung mit der Tochter – was der Opener ebenfalls klarstellt. Die Deutlichkeit, mit der Prince das neuzeitlich verschärfte Liebesspiel besingt, ist der größte Makel in der ansonsten gewohnt serienmäßig gogofunkenden New Power Generation. Was „Scandalous“ verschwieg, ist hier lediglich eine Frage von Stellung und Durchstehvermögen, doch nach zehn Jahren sollte der Star eigentlich in der Lage sein, hinter den Spiegel zu schauen.
Zum Beispiel „I wanna melt with U“. Ein Lied, das die Hormone des Mannes verherrlicht, während es die Entjungferung einer jungen Dame kolportiert. Frei nach De Sade eilt der Sänger schon nach dem ersten Refrain zur Steigerung des Paarungsverhaltens, Hunde kommen ins Spiel, von einem durchgängigen Rammelbeat und Samplegebell untermalt. Die ganze Nummer zischelt jedoch ähnlich blöde und belanglos vorüber wie der Soundtrack zum Vormittagsprogramm der ARD-Aerobicgruppe. Tagesfreizeit eben, wobei tatsächlich der Überschuß an Zeit ökonomisch in Orgasmen umgerechnet wird: „I got 7 hours baby“. Wieso Prince den spätkapitalistischen Sex allerdings als Safer-Sex-Manifest deklariert, bleibt angesichts der permanenten Entfesselung von Produktivsäften schleierhaft.
Aber die Genitalphilosophie ist am Ende doch wieder nichts als die zur Erde gekehrte Seite des Menschen. Es klingelt, orgelt und fiept zum erlösenden Finale, das sich aufklärend auf der Schwelle zum symbolischen Himmel abspielt.
Noch einmal werden Frauen aus Rippen geformt („And God created Women“), und Engel besuchen das Jammertal („7“). Erhaben und tanzbar. Das Wechselspiel erinnert an die Hysterie der Katholiken, mit der jede Madonna seit Illona Staller irgendwie behaftet ist. Prince zwischen allen Ikonen der Poperotik.
„We need to get wild again/ like it was when we first met“, singt er in „Blue Light“. Dieses Resümee mutet traurig an, wenn man bedenkt, daß Prince schon wieder ein Doppelalbum voller Mittelmaß veröffentlicht hat. Mit einer einzigen netten Ballade wie „Damn U“ hätte sich Michael Jackson nicht zufriedengegeben. Vielleicht wird der ehemalige Zeremonienmeister der Liebe aber auch einfach nur alt. In zwei Liedern singt er schon etwas bedrohlich von „heart attacks“, die er sich bei seinem Treiben holt. Ein Trost bleibt immerhin selbst Prince: Auch ein Frank Zappa war Ende der siebziger Jahre mit „Joe's Garage“ von der Provokation in den Zynismus von Herrenwitzen abgedriftet. Jetzt macht er Neue Musik, und Prince bastelt bereits an einem Nachfolgewerk: einer Oper. Harald Fricke
Prince and The New Power Generation: Das Titelsymbol ist in Buchstabenschrift nicht wiederzugeben, hat aber auch mit Sex zu tun. Irgendwie. (WEA).
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