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Zwischen den RillenMonken heute

■ Spiel mit der Radikalität: Diverse Reverenzen an Thelonious Monk

Vom Autodidakten zum Architekten des neuen Jazz – so ließe sich die Geschichte des Pianisten und Komponisten Thelonious Monk lesen und erinnern. Alljährlich dienen seine Kompositionen Jazzmusikern als Vorlage zum avantgardistischen Bekenntnis.

So auch in allerjüngster Zeit. Auf Steve Lacys „We See“ geht es bemüht fußlastig zu: etwas für Steher also. Das ist bei Lacy in Ordnung, so lange man nicht den Eindruck bekommt, es fehlt was. Engagement, Originalität oder ein wie auch immer gerartetes Einfach-etwas-mehr-bei- der-Sache-und-neben-der-Kante-Sein hätte seinem „Thelonious Monk Songbook“ etwas besser gestanden, als mal eben im schweizerischen Willisau (dem Sitz der Firma „hat ART“) vorbeizuschauen, um die Schweine im Stall zu betrachten. Auf dieser Platte gerät das Lacyistische etwas zu gemächlich zum Alt-Herren-Bankett. Zwar gurgelt Lacy zur Eröffnung sein Sopransaxophongetöne in bewährt zickiger Manier, aber das übertrieben Altwitzige, mit dem er etwa den Horrorsingsang behüteter Gartenkinder zitiert – als wollte er lediglich seinen einstigen Meisterkollegen gemeinsamer sechziger Jahre gegen das seichte Geklöppel des auch mitwirkenden Youngster-Vibraphonisten Sonhando Estwick in Schutz nehmen –, das hätte nicht sein müssen. Zum Schluß gibts „Hanky Panky“ (nein, nicht das), die einzige Lacy-Komposition dieser Produktion, die aber nach einem kurzen Introgroove letztlich auch nur der Idee hinterherschwimmt, die ihr die Töne gab: Monk's fingering (gemeint ist natürlich Lacys Erinnerung an Monks Fingerhaltung, mit der dieser sich einst über das viereckig eingeholzte Tastengemisch namens Klavier hermachte; eben die verriet den damaligen Experten nämlich eine falsche Technik – wie den Fans das Innovative).

Robert Hurst hingegen wird davon bestenfalls aus zweiter Hand erfahren haben. Er ist ein Youngster im Anzug und Bassist bei Branford Marsalis. Das allein heißt heute schon mindestens so viel, wie es wenig über die Musik aussagt. Auf seiner aufregend betitelten Debut-CD „Robert Hurst presents: Robert Hurst“ jedenfalls herrscht eine Mittsechziger-Grundstimmung vor, wie man sie damals eben so für modern hielt. Zwischen allerlei düster Melodiöses und schwermütig Bluesendes zwängt sich jäh, aber unaufdringlich ein unbegleitetes Bass- Solo von Hurst über Monks Komposition „Evidence“: Monk als Vorlage für den gepflegten Musikereinstand. Spärlich, leise, gehetzt und kurz – als wäre Zurückhaltung das Gebot der Stunde.

Ganz im Gegensatz zum Monkschen „Friday the 13th“ in der Version des Branford Marsalis Trios – auf ihrer Live-CD „Bloomington“. Das Stück zögert sich flott über elf Minuten hin, ohne allerdings den Eindruck aufkommen zu lassen, hier ereigne sich nun etwas wahrhaft Großes. Den will immerhin Branfords Bruder und Produzent Delfeayo in den Liner-Notes herbeireden – quasi im Vorgriff auf das, was die Kritiker später behaupten sollen und werden. Nein, hier sei kein Coltrane-Klon an der Blechkanne, sondern kein Geringerer als der größte Improvisator der Jazzjetztzeit am Werke. Wer habe schließlich Coltrane je im Trio gehört?

Klarer Fall, hier ist das kulturindustrielle Detail gefragt: Avantgardismus als rhetorische Phrase. Sowieso hat man bei den Marsalis-Brüdern das Gefühl: Was die Musik nicht einlöst, bringt wenigstens der Booklet-Text. Es wird zur Bastelstunde in schwarzer Musikgeschichte geladen, und in einem Exkurs „About The Music“ erfährt man zumindest, wie innig Originalität mit Größenwahn sich mengt. Was einem beim zerstreuten Durchhören entging, wird hier buchstäblich festgeklopft. Der CD-Apparat läßt keinen Betrug mehr zu, in Sekunden und Taktzahl wird angegeben, daß sich zwischen 10:12 und 10:29 ein call-and-response ereignet. Sicher, hier wird Großes vermessen gegen das große Vermissen. Und wem Monks Freitag hier dennoch zu sehr nach lazy Sonntagnachmittag klingt, der... kann immerhin einstweilen zum Nicht-Jazzer Eugene Chadbourne wechseln.

Auf seiner Guitar-, Dobro-, Banjo- and Noise-Solo-CD mit dem schlichten Titel „Strings“ wird nicht nur Coltrane als blue grass hero gefeiert – oder der Charles Mingus-Klassiker „Goodbye Pork-Pie Hat“ als Schepperversion gegeben. Auch das Monksche „Monks Mood“ fehlt nicht in Chadbournes avantgardistischer Ahnengalerie, die Radikalität mimt in verstummter Liedermacherpose und melodiesüchtig in Nachkrachzeitmanier daherkommt. Auch Chadbourne nutzt das Booklet zum Ruf aus der Nische: die Improvisation, die Improvisation!

Wirklich fragmentarisch geht es schließlich auf der CD „Sphere Music“ des Pianisten Uri Caine zu. Gleich zwei Monk-Kompositionen dienen ihm als Vorlage für sein gelungenes Debut zwischen Handwerksbeweis und querigem Experiment: ein gänzlich zerstückeltes „'Round Midnight“ im Duo mit dem Klarinettisten Don Byron, das tapfer den jazzkonservativen Standard der 93er-Monkrezeption bricht, und ein lockeres „We See“ im Pianotrioformat mit Anthony Cox und Ralph Peterson, welches sich nicht in den Käfig selbstgefälliger Isolierung zwängt.

Ergo: Monk ist tot, und nicht überall, wo Monk draufsteht, ist Monk drin. Aber jeder, der heute noch monkt, spielt mit der Tradition des Radikalen im Jazz. Die allerdings ist nicht herbeizureden. Christian Broecking

Steve Lacy 6: „We See“ (hat Art CD 6127)

Robert Hurst: „Robert Hurst presents: Robert Hurst“ (DIW-873)

Branford Marsalis: „Bloomington“ (Columbia/Sony 4737712)

Eugene Chadbourne: „Strings“ (Intakt CD 025)

Uri Caine: „Sphere Music“ (JMT 514007-2)

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