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Zwischen den RillenFamilien-Bande

■ Relax your mind, dein Arsch wird folgen: Warren G und Redman

Kein Ende in Sicht, was die HipHop-family affairs der amerikanischen Westküste betrifft. Auch Warren G, jüngerer Halbbruder des hochrespektierten Dr. Dre, hat dieser Tage mit „Take A Look Over My Shoulder (Reality)“ sein zweites Album herausgebracht.

„G-Funk-Child“ nennt man ihn in den Staaten gern, und geht diese Bezeichnung der berühmten Verwandtschaft und Warren Gs Babyface wegen einigermaßen in Ordnung, erscheint sie im Hinblick auf sein musikalisches Schaffen als nicht ganz legitime Verniedlichung. Denn mit seinem 94er Album „Regulate ... G-Funk-Era“ injizierte Warren G dem G(=Gangsta)-Funk eine Überdosis Pop und machte ihn endgültig zum Motown-Sound der Neunziger. Butterweiche Sounds und Raps konnte man auf diesem Album hören, chords, strings and melodies – ein Leben in perfekten Harmo

HipHop als Motown der Neunziger: Warren G Foto: Mercury

nien. So smooth kam das alles daher, daß es auch diejenigen langsam und lasziv die Hüften bewegen ließ, die niemals vorher etwas von Dr. Dre oder Snoop Doggy Dogg gehört hatten.

Schade nur, daß Warren G Superstar sich für sein neues Album ausgerechnet mit Tina Turners „What's Love Got To Do With It“ und Bob Marleys „I Shot The Sheriff“ noch höhere Popweihen zu geben versucht hat. Zwar mit Erfolg, wie man mit Blick auf die Single-Charts mittlerweile weiß, doch hat er beiden Stücken keine besonders neue, gar Warren-G-eigene Dramaturgie übergestülpt. Eher erhärtet er den mancherorts gehegten Verdacht, daß der HipHop-Boom des vergangenen Jahres eben doch nur auf platten Coverversionen à la „Killing Me Softly“ basiert, sei es nun bei den Fugees, Nas, bei Snoop Doggy Dogg oder auch MC Lyte.

Doch ebenso wie diese auf ihren Alben hat auch Warren G auf „Take A Look Over My Shoulder“ einiges mehr zu bieten, getreu der Devise: Relax your mind, und dein Arsch wird folgen, gibt es so das extrem laid-backe „Annie Mae“, das gleich darauffolgende samtweiche „Smoked Out“, wo Isley Brother Ronald die Swingbeat- Soße aus seinem Mund kleckern läßt.

Oder auch die G-Funk-Hymne „What We Go Through“, in der Warren G – trotz aller in den letzten Jahren geübten Zurückhaltung – die Brust dann doch einmal stolz schwellen läßt: „Now you know about this Warren G era / G-Funk Terror / Look into the mirror / And what you see is the don oft the company / That nigga / Warren to the G, G!“

Was ja seine Berechtigung hat. Warren G ist auf diesem Album sein eigener Produzent, wie er sich auch sonst hauptsächlich als wohlmeinender „Don“ und Hoster betätigt. Mit seinen Raps flankiert er zumeist nur sehr zurückhaltend und folglich ökonomisch die Gastvorstellungen zahlreicher anderer Rapper, als da (neben Ron Isley) wären: die versammelte Mannschaft von Tha Dogg Pound, Adina Howard und auch sein lebenslanger „compadre“ Nate Dogg. „My goal is to relieve people of stress. I want them to be able to dance and party to it and have a good time“, erklärte Warren G kürzlich in einem Interview. Nichts hinzuzufügen.

Parties feiern und eine gute Zeit haben geht sicher auch okay mit Redman, wiewohl dessen drittes Album „Muddy Waters“ eher was für HipHop-Puristen als für Popfreunde ist. Redman ist an der anderen Küstenseite der Staaten beheimatet, genauer in New Jersey (er nennt es „Brick City“), das aber auch seine ganz eigenen family affairs hervorgebracht hat. Redman ist Entdeckung und Kumpel von Erick Sermon, dem einstigen Double-E von EPMD, und einer der besten HipHop-Produzenten an der Ostküste. Und wie sich das unter Freunden gehört, bekommt Redman von Sermon immer nur die fettesten und trockensten Beats unter seine Lyrics gemischt. Ultrafunky Eastcoast-Style, schnörkellos und ohne Zugeständnisse an irgendeinen herrschenden Mass-Appeal.

Die Sounds stimmen, doch am eindrücklichsten schummelte sich Redman bei seinem erstmaligen Auftauchen vor fünf Jahren mit seiner Vorliebe für die grüne Pflanze in die erste Reihe: Sein Stück „How To Roll A Blunt“ ließ sich gut hören als Gebrauchsanweisung und ergänzte ideal die seinerzeit begonnene Aufklärungskampagne von Cypress Hill.

Kiffen hier, kiffen da, „don't stop and smoke“ heißt es des öfteren auf „Muddy Waters“, und Redman ist ganz bescheiden der „Moby Dick Of Dopeness“, der „Smoke Buddha“, der es in erster Linie einfach bloß rollen läßt (oder rollt er etwa selbst?). Nicht Pate, nicht Elder statesman of HipHop: Redman verkörpert lieber den Typus durchgeknallter, überdrehter Rapper. Ein Autist, der lieber im eigenen Orbit kreist und der sich um Business-Dinge, kleinliche Streitereien und große HipHop- Schlammschlachten höchstens eine Bluntlänge kümmert. Gerrit Bartels

Warren G: „Take A Look Over My Shoulder (Reality)“ (Def Jam / Mercury)

Redman: „Muddy Waters“ (Def Jam / Mercury)

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