Zwischen den Rillen: DJ-Battles, B-Boying, und Breakdancen
■ New Yorker Plattendreher-Handwerk: Company Flow und X-Ecutioners
Was die Exekutoren da ausdrücken auf ihrer prop-vollen CD, läßt einen glauben, die Beschränkung des Tonträgers auf bloße Hörbarkeit sei aufgelöst und man könnte sie sehen, die Mechaniker, Macher und Dreher der Beats, Scratches und Flows. X-Ecutioners, die vier Turntabelists aus New York, kommen zwar eindeutig aus dem Handwerkerbereich, sie liegen in DJ-Battles weit vorn, können den doppelten Rittberger zwischen zwei Drehungen legen und dabei durch den Crossfader einen zusammenhängenden Satz aus Vinylabschnitten zaubern. Sie sind aber auch genau die Art von Plattenauflegern, die den Vorwurf der unauthentischen Retortenmusik stringent und eindrücklich widerlegen.
So wie ihr CD-Cover ist auch die Musik: die vier Gesichter wie Fahndungsbilder, Schwarzweiß am oberen Bildrand, die Botschaft unaufdringlich, aber wirksam und bleibend eingebrannt. Auf dem Cover steht der Name X-Ecutioners, eingeritzt in ein Fenster der New Yorker U-Bahn. Im wahren Leben stehen Mista Sinista, Rob Swift, Roe Raida und Total Eclipse nicht nur hinter ihren eigenen Produktionen, sondern auch hinter Massen von namhaften Rappern und HipHop Artists.
Wo bei den X-Ecutioners, die sich wegen des Namenspatents der Marvel Comix nicht mehr X-Men nennen dürfen, die Hauptpubertätszeit mit Üben, Üben, Üben draufgegangen ist, hatten die drei Jungs von Company Flow mehr damit zu tun, ihre Umwelt zu scannen und Reim-Rhythmen zu verarbeiten. Wo sich in der ersten Arbeitsweise also mehr das Muster des klavierspielenden Wunderkinds verbirgt, das ja bislang auch nur höchst selten mit dem Öffentlich-Sein, Star-Sein beschäftigt war, ganz im Gegenteil den öffentlichen Auftritt nur durch das Vertrauen auf die eigene Technik bewältigt, ist es beim MC eben eher das Rockstar-Sein, das die technischen Fähigkeiten mit dem Charismafaktor verbinden muß. Wobei sich die Trennung durch den körperlichen Einsatz der DJs bei den X-Ecutioners verwischt. Nicht umsonst nennen sie sich Turntabelists und eben nicht nur DJs, weil sich hier das B-Boying, das Breakdancen und das Plattenauflegen vermischen.
Company Flow, auch aus New York, werden gerne als Independent HipHop bezeichnet. Was auch, wenn der Begriff nicht schon so eindeutig Prä- Nirvana besetzt wäre, ganz gut paßt. Nicht nur wegen der Plattenfirmen, die Company Flow ablehnen oder selbst gründen. vielmehr, weil das die Abgrenzung zum ekligen Achtziger- Jahre-Hits-Sampeln und Goldspoiler-Autos-Fahren ist, die die Richtung im HipHop in letzter Zeit vorgaben und ihren Eskalationspunkt im gnadenlosen Ralf-Siegel-Rap-Business eines Puff Daddy gefunden hat.
Company Flow sind da gaanz anders. Aber eben nicht, wie man beim Abzeichen Independent auch vermuten könnte, in eine ebenso unangenehme Cross-Over-Richtung à la „Wir machen HipHop mit Metallgitarrenriffs“. Die Funcrusher- CD der beiden MCs El-P(roducto) und Bigg Jus und DJ Mr. Len besteht aus einer jazzigen, minimalistischen Hintergrundebene und einem ausdrucksstarken full-blowing-poetischen Sprechgesang.
In eingefügten Wortbeiträgen und poetry-geslamten Rhymes geht es um den Kontroll- und Disziplinarwahnsinn der US-amerikanischen moral majority, um fuck the ideology, um Gaskammern und die Todesstrafe. Eltern belehren Kinder. „It's never o.k. to touch somebody's private parts“, drei Stücke später schwärmt eine weibliche Stimme über gezupftem Kontrabaß: „We have a computer, programmed on the idea of the government. What kind of toys to produce to condition from birth.“
Company Flow arbeiten textlich mehr in der Public-Enemy- Richtung: Es geht ihnen um Kritik und nicht um die Glamourisierung unerträglicher Zustände. Dabei setzen sie Text- Assemblagen weit weniger ein als PE, und auch musikalisch geht es ihnen um eine smoothe Erweiterung von HipHop. Die wird nicht nur aus der fast durchgängigen Verwendung von Jazz-Instrumentierung und Vibes, die auf minimale Einheiten reduziert und permanent reproduziert werden, hergestellt. Es scheint so etwas wie das schummrige, weiche, jazzige Hinterland zu geben, vor dem die harten Töne sich um so mehr absetzen, das Ganze mindestens mehrdimensional erscheinen lassen. Company Flow stellen musikalisch weniger eine aggressive denn eine teilentrückte Atmosphäre her, die zwar, wie bei Tribe Called Quest die gute Laune, das Versöhnliche mit vorgibt, aber eben nicht zwangsläufig einlöst. Es geht um Verunsicherung, die aber nicht mit Noise oder harten Breaks, schnellen Toasts und fetten Scratches, sondern mehr in der oberflächlich scheinbaren Harmonisierung und den Brüchen hergestellt wird. Alienating, wie auch das Cover von Funcrusher Plus, auf dem selbstentflammbare Aliens auf postindustrielle Endzeitlandschaftsruinen schauen, Kopfhörer tragen und an einem Musikerzeugungsgerät fummeln. Ride the Hype. Bessere Platten gibt's nicht. Annette Weber
X-Ecutioners: „Funcrusher Plus“ (Asphodel), Company Flow: „X-Pressions“ (Groove Attack)
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen