Zwischen den Rillen: Höhepunkte im Team
■ Kollektiv- statt Legendenbildung: Grandmaster Flash und Common Ground
Fast schon argwöhnisch dreht man Grandmaster Flashs neue CD in den Händen. Denn gäbe es im Musikbusineß Orden, wäre Grandmaster Flash wohl behängt wie der oberkommandierende General der Roten Armee unter Breschnew. Und kann man von so einem mehr erwarten außer ein markiges „früher war die Welt noch in Ordnung“? Man kann. Grandmaster Flash ist einer der wenigen Old-School-Stars, der den ästhetischen Einmarsch in die neunziger Jahre geschafft hat.
In Amerika werden derzeit vor allem solche Bands als super innovativ abgefeiert, weil sie sich vor einem überdrehten Busineß in Old-School-Tugenden flüchten: Beats reduziert, Reime komprimiert – das ist dann nicht Retro, sondern die Zukunft des HipHop.
Doch anstatt die Gunst der Stunde zu nutzen und daran zu erinnern, wer der realste Repräsentant der ach so grundguten Old School ist, verzichtet Grandmaster Flash auf die sentimentale Soße. Statt dessen hört sich „Flash Is Back“ eher so an, als wäre es in den Studios eines europäischen Labels mit eingebautem Geschichtsnerdismus wie Ninja Tune oder Mo' Wax entstanden. Denn wohlwissend, aus welcher musikhistorischen Ecke man kommt, werden auf diesem Album HipHop-Beats so lange gerührt und geschüttelt, bis am Ende Drum'n'Bass oder Big Beat dabei herauskommt. Vocals sind dabei nebensächlich, denn das Zitat spricht ja Bände.
Und so ist es bei dieser Art von musikalischer Generalabrechnung kaum verwunderlich, daß noch eine Legende seine Finger an den Reglern hatte: Arthur Baker, HipHop-Produzent der allerersten Stunde. Er war verantwortlich für Singles wie Afrika Bambaatas „Planet Rock“, aber es waren ganz andere Merkmale, die ihn aus der damals noch selbstverständlichen Produzenten-Anonymität hervorhoben. Arthur Baker verpflanzte die HipHop-Beats in Mainstreamrock-Produktionen wie Hall&Oates. Auch davon kann man auf „Flash Is Back“ noch Spuren finden.
Wenn Flash und Baker zwei Gänge runterschalten, versuchen sie sich in schwitzigen Intim-Duetten. „Sex On The Scratch“ steht in der Tradition von explizitem Bettgeflüster, unterlegt mit einem sanft treibenden Soul-Beat. Was die beiden Liebenden in dem Stück nicht schaffen, haben Grandmaster Flash und Baker mit diesem Album erreicht: einen neuen gemeinsamen Höhepunkt.
Zurück nach Europa, genauer gesagt nach London. Rund um den Hoxton Square haben wir es mit einem metropolitanen Evergreen zu tun: Altes Industrie- und Arbeiterviertel wird nach und nach von Künstlern und Musikern wegen billigen Wohnraums bevorzugt besiedelt, doch noch ehe man sich richtig daran freuen kann, leben alle anderen Art-Suckers auch dort. Eine Gruppe junger Musiker und Produzenten, die unter dem gemeinsamen Namen Common Ground den Sampler „No More Heroes“ herausgebracht haben und ihre Büros und Studios ebenfalls in dieser Gegend haben, sind bisher vom ausufernden Hype relativ verschont geblieben. Der Sound dieser Posse vereint gutgelaunte, ausgefeilte, fast schon poppige Rare-Groove- und Downtempo-Tracks zu einem kollektiven Werk. Stellenweise blitzen sogar Samba-Elemente durch.
„No More Heroes“ ist die perfekte Antwort auf die Frage, was man in Zeiten macht, in denen der Clubsound partout nicht zu revolutionieren ist. Die Antwort liegt so nahe: Man arbeitet mit dem vorhandenen Material, verfeinert es, macht es sexy und sinnlich. Trotz der unterschiedlichen Tempi klingt „No More Heroes“ wie aus einem Guß, obwohl jeder Track von einem anderen Produzenten stammt. Strukturelles Vorbild der Common-Ground-Macher sind Art Blakey's Jazz Messengers. Blakey sah seine Combo als eine Art praktische Akademie, in der Musiker so lange zusammenarbeiteten, bis sie in die Welt zogen, um eigene Bands zu gründen. Sollen Common Ground ruhig noch ein wenig zusammen üben, denn selten kam guter Geschmack so lässig um die Ecke gebogen. Heike Blümner
Grandmaster Flash: Flash Is Back (Minimal/Marlboro Music)
Common Ground: No More Heroes (Ultimate Dilemma/ Rough Trade)
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen