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Zwischen den RillenDrei Minuten Zucker

■ Platzhirsche und Anwärterinnen: Neue Alben von Suede und Catatonia

Wenn es um nichts mehr geht, läßt es sich am befreitesten aufspielen. Alte Sportlerweisheit, die im Sport von heute nichts mehr gilt – auch nicht im englischen –, um so mehr aber im britischen Pop. Da ist seit geraumer Zeit schon die Hysterie um die eigene Größe verklungen, da hat man wenig später ganz unbeeindruckt einen Totenschein entgegengenommen, und selbst der Split von The Verve stürzt da niemanden in eine tiefe Depression.

In der Ruhe liegen im Moment die Kraft und die Schönheit. Das gilt für alte Helden wie Echo & The Bunnymen und neue wie Catatonia genauso wie für das Establishment um Blur und vor allem auch Suede.

Deren Vorturner Brett Anderson wurde zwar, bevor er auch nur einen Pieps in Form einer Plattenveröffentlichung von sich gegeben hatte, von der geballten britischen Pressemacht zum neuen Superstar gekürt, wahlweise zum neuen Bowie, Morrissey oder Bolan. Doch Anderson ließ in Folge den Britpop einen guten Hype sein. Jedenfalls beteiligte er sich nicht an der großen Bandschlacht 95/96, wedelte nicht mit „Buy British“-Plaketten, hielt später die B-Seiten der Suede-Singles für so gut, daß er sie als reguläres Suede-Doppelalbum rausbrachte.

In diesen Tagen irritiert vor allem der Titel, den er dem neuen Suede-Album gegeben hat: „Head Music“. Kopfmusik von einem, der junge Mädchenherzen genauso zum Schmelzen bringt wie die von kleinen und großen Jungs? Von jemandem, der einmal gesagt hat, daß er sich wie ein bisexueller Mann fühle, aber niemals eine homosexuelle Beziehung eingegangen sei? Ein Konzeptalbum? Gar ein an Computern ausgeklügeltes Dance-Album?

„Head Music“ sei einfach nur eine Phrase, beeilte sich Anderson zu Protokoll zu geben, da bräuchten die alten Fans keine Angst zu haben. Und „Head Music“ ist ein typisches Suede-Album geworden: Produziert von dem Ex-Happy-Mondays-Produzenten Steve Osborne, enthält es zwar etwas mehr elektronische Verzierungen als sonst. Doch dominiert von Andersons an Bowie geschulter Stimme, ist es gewohnt schillernd und pathetisch, aufgeteilt in „sad songs and broken words“ und Songs mit guten Vibes und einfachen Lyrics.

Während die ersten Songs nicht so rollen wollen, auch nicht „Electricity“, die erste, etwas arg kalkulierte und stumpf rockende Single, nimmt das Album bei „Everything Will Flow“ richtig Fahrt auf, einer Ballade, deren Strings und Melodien alle Säfte fließen lassen. Und dann zaubert Anderson Feelgood-Hymnen aus dem Ärmel wie „She's in fashion“ (ein Liebeslied), „Asbestos“ (notorische Hymne auf die Boys und Girls aus Suburbia) oder „He's Gone“, in dem die alten schwermütigen Dandy-Themen wieder anklingen: „Like the leaves on the trees / Like a carpenters song / Like the planes and the trains and the lives that were young / He's gone/ And it feels like the words to a song.“ Muß schließlich alles seinen Sinn haben mit dem Altern und der Reife, wichtiger als Outfit und Posing ist Anderson mittlerweile der wirklich gute Song, und geradezu standhaft uncamp singt er dann einmal „feels real, like a man, like a woman, like a woman, like a man“.

Nicht weniger wirklich fühlt sich eine Band wie Catatonia an. Mit zwei Alben in Indiekontexten überschaubar bekannt geworden, nahm man auf den Inseln die Band aus Wales erstmals richtig wahr, als ihre Sängerin Cerys Matthews zusammen mit Tommy Scott von Space „The Ballad of Tom Jones“ sang. Statt nach einer Ballade hörte sich dieses Lied eher an wie eine Session von Donna Summer und Marc Almond in der Dunkelkammer, zeigte aber, wohin die Reise von Catatonia hingehen würde: Und so liefert sich nun das dritte Catatonia-Album „Equally Cursed And Blessed“ ein Kopf-an-Kopf-Rennen mit Suedes „Head Music“ in den Charts um die Plätze zwei und drei hinter Abbas „Gold – Greatest Hits“.

Auf dem Album gelingt es Catatonia, den Mühseligen und Beladenen, den Komischen und denen, die ein bißchen anders ticken (und natürlich auch allen anderen), ein wenig von ihrer Last zu nehmen und ein paar Songs von den Vögeln in den Bäumen zu stehlen, wie es im ersten Song, in „Dead From The Waist Down“, heißt. Will meinen: Auch Catatonia strikken an großen Pop-Hymnen, die es locker mit denen von Suede aufnehmen, aber auf Waliser Art, wie die Antwort von Matthews auf die Frage des NME, wofür sie denn stehen würden, beweist: „Power to the provinces! Not-anti-London, like London is a place, it's more: power to the people. The individual.“

Sängerin Cery Matthews ist da ganz unbedarft, sie ist Zukkerbaby und Landgöre zugleich, just a girl und a good girl, und sie vermittelt in ihren Songs mal rauh und krächzend, mal schmachtend einfache Weisheiten wie „Everything is beautiful, everything is beautiful, nothing hurts“, schwierigere wie „If you live a lie, you'll die a liar“, skandiert „Make hay, not war, the sun is shining“ (wie immer sie das nun meint) und droppt auch ein paar sehr traurig klingende Bulimic Beats, möglicherweise aus eigener Erfahrung.

Am wichtigsten aber ist Catatonia das Wissen um die Kraft und die Schönheit des Drei-Minuten-Pop: „It's just a three minute song, it doesn't last very long, but it'll take you to a place I know you'd rather be.“ Gerrit Bartels

Suede: „Headmusic“ (Nude/ Epic) Catatonia: „Equally cursed and blessed“ (Blanco Y Negro/Wea)

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