Zwischen Markt und Macht

■ Ein knappes Jahr nach Öffnung des Strommarktes werben ein gutes Dutzend Ökostrom-Händler um Kunden. Doch ist der Abschied von RWE & Co. noch nicht für jeden ohne weiteres möglich. Eine direkte Lieferung an Privatk

Die Konkurrenz auf dem jungen Ökostrom-Markt ist groß: „Sie können selbst entscheiden, von welchem Anbieter Sie Ihren Strom beziehen“, lockt beispielsweise die EWE NaturWatt, ein neues Energieversorgungsunternehmen in der Region Weser-Ems, Kunden mit einem Angebot aus „natürlichen Energiequellen“. Oder: „Schalten Sie um – durch die Liberalisierung der Energiemärkte haben die Verbraucher jetzt die Freiheit, ihren Stromlieferanten, aber auch die Art der Herstellung zu wählen“, wirbt Markus Mann von der MannNaturenergie. Und sollte der alte Energieversorger versuchen, den Wechsel zu verzögern, „werden wir die erforderlichen Schritte einleiten“, bietet die Düsseldorfer Naturstrom AG Unterstützung. Denn: „Die Wahl Ihres Stromversorgers ist Ihr gutes Recht.“

Hier wird suggeriert, ein Abschied von RWE & Co. wäre heute ohne weiteres möglich. Doch dem ist nicht so. Zwar wurde mit der Einführung des neuen Energiewirtschaftsgesetzes zum 29. April 1998 die Monopolstellung der Stromkonzerne aufgehoben, jedoch vorerst nur auf dem Papier. Durch flugs vereinbarte Durchleitungsbedingungen für fremden Strom, die sogenannte Verbändevereinbarung, wurde dafür gesorgt, daß man auch weiterhin unter sich blieb. Alles, was die neuen Ökostrom-Händler heute anbieten können, ist die Produktion von Strom aus erneuerbaren Energien im Auftrag des Kunden. Eine direkte Lieferung an Privatkunden hat jedoch noch keines der jungen Unternehmen durchgesetzt.

Den Kunden trotzdem mit einem Wechsel zu locken, findet Harlad Preukschat von der Ökostrom-Handels AG aus Hamburg, sei „eine schlimme Masche“. Sein Unternehmen wird jedenfalls zuerst die Netzzugangsbedingungen mit dem Hamburger Energieversorger HEW aushandeln: „Vorher wird nicht geliefert.“ Gemeinsam mit Greenpeace habe man bereits vor dem Bundeskartellamt auf den „diskriminierungsfreien Netzzugang“ geklagt. Auch Ben Breuer von der ebenfalls in Hamburg ansässigen Grüner Strom AG fühlt sich mit der derzeitigen Situation etwas ungemütlich. Zwar wolle man schon vor der endgültigen Klärung der direkten Stromdurchleitung durch fremde Netze Kunden annehmen, jedoch weist er immer wieder darauf hin, daß es sich um einen „virtuellen Strombezug“ handele. „Wir machen eine Scheinlieferung, aber eigentlich ist es Etikettenschwindel.“

Ursula Sladek von den Schönauer Energie-Initiativen, verantwortlich für das Ökostrom-Angebot „Watt-Ihr-Volt“ der Elektrizitätswerke Schönau, will von dieser Argumentation nichts wissen. Ihr geht es darum, daß „der Anteil des Ökostroms kontinuierlich steigt und dadurch die Stromqualität insgesamt verbessert wird“. Denn rein physikalisch gesehen wird Strom gar nicht durchgeleitet: „Egal welchen Strom man bestellt, aus der Steckdose kommt immer nur die Mischung aus dem im Netz vorhandenen Strom“, erläutert Sladek. Auch Ralf Bischof von der Naturstrom AG hängt sein Herz nicht an die direkte Durchleitung: „Es genügt, in dem Moment, in dem unser Kunde Strom verbraucht, diesen irgendwo einzuspeisen.“ Auf diese Weise spare man die Gebühren für den Netzbetreiber, und bevor man diesen noch finanziell unterstütze, solle mit dem Geld lieber mehr Ökostrom produziert werden. Da viele Kunden Wert auf Wechsel legen, darf der Naturstrom-Kunde seinem alten Energieversorgungsunternehmen (EVU) kündigen. Dieses wird dann von der Naturstrom AG mit der Fortführung der Versorgung beauftragt. Die Kosten hierfür werden dann von der Naturstrom AG zuzüglich Öko-Aufschlag an den Kunden weitergeleitet.

Doch es gibt auch Probleme mit der „virtuellen Durchleitung“. So ist beispielsweise nicht zweifelsfrei zu klären, wer den produzierten Ökostrom für sich beanspruchen darf, wenn dieser zweimal abgerechnet wird: einmal von dem EVU, das den regenerativ erzeugten Strom in sein Netz aufnimmt und nach dem Stromeinspeisungsgesetz vergütet, und zum zweiten vom Ökostrom-Händler, in dessen Auftrag die Kilowattstunde erzeugt wurde und der dem Betreiber einen Aufschlag zahlt. Die Naturstrom AG hat das Problem bei ihrer ersten unter Vertrag gestellten Solarstromanlage umgangen, indem diese nicht in das öffentliche Stromnetz einspeist, sondern der Solarstrom ausschließlich im Gebäude verbraucht wird. Andernfalls hätten die Kraftübertragungswerke Rheinfelden, denen das dortige Netz gehört, diesen hochwertigen Strom sicher gern über ihre Tochter NaturEnergie vertrieben.

Keine Probleme mit der Diskussion um die Durchleitung haben dagegen die Ökostrom-Anbieter, die zu 100 Prozent einem Energieversorger gehören. So ist es für die EWE Naturwatt GmbH selbstverständlich, den Kunden vom Vorversorger zu übernehmen. Die Muttergesellschaft EWE dürfte kaum Einwände haben, kann sie doch über ihr neues Tochterunternehmen den ohnehin in ihrem Netz vorhandenen Windstrom absetzen. Auch Strom aus Deponiegas wird kurzerhand für „natürlich“ erklärt. Doch die meisten Energieversorger haben sich bisher nicht die Mühe gemacht, eigens neue Gesellschaften zu gründen, um ihren Kunden Ökostrom anbieten zu können. Das RWE bietet beispielsweise schon seit 1996 einen Umwelttarif an, die Fränkischen Überlandwerke sammeln Geld für Solarstromanlagen über einen freiwillig erhöhten Stromtarif, selbst die Freiburger Energie- und Wasserversorgungs-AG (FEW) bieten ihren Kunden die Möglichkeit, höhere Tarife zu zahlen, und versprechen, die Mehreinnahmen in erneuerbare Energien zu investieren.

Doch bleibt häufig der Verdacht, daß lediglich bestehende Erzeugungsanlagen zu „grünen Kunden“ zugeordnet werden, was weder Emissionen noch Ressourcen spart. Viele Energieversorger lassen sich deshalb von unabhängigen Instituten kontrollieren oder arbeiten mit etablierten Umweltorganisationen wie dem WWF zusammen. Ob diese mit ihren Angeboten den erwünschten Erfolg haben, bleibt trotzdem zweifelhaft. Zu schlecht ist der Ruf der meisten Ex-Monopolisten bei der ökologisch bewegten Klientel. So hat es das RWE bisher noch nicht einmal geschafft, ein Prozent seiner Kunden für den Umwelttarif zu begeistern. Doch auch die unabhängigen Ökostrom-Anbieter werden noch nicht so von Kunden überschwemmt, wie manche Umfragen hoffen machten. Das derzeit größte Problem ist – neben der fehlenden echten Wechselmöglichkeit – die angekündigte Ökosteuer. Ab April muß auf jede Kilowattstunde ein Aufschlag von zwei Pfennig gezahlt werden. Dabei hat die neue Regierung Strom aus erneuerbaren Energien nicht ausgenommen. Als Ergebnis zögern viele Stromverbraucher, neben dem Zwangsaufschlag zusätzlich einen weiteren Öko-Aufschlag zu zahlen. Für die FEW war die geplante Ökosteuer sogar ein Grund, den Start ihres neuen Angebots Regio-Strom vom Wunschtermin 1.April um zwei Monate zu verschieben. Pressesprecher Erich Möck: „Da hat uns die Regierung in die Suppe gespuckt.“ Anne Kreutzmann