Zwischen Hype und Finanzkrise: Twitter auf der Suche nach Einnahmen
Twitter wird immer populärer, nur macht der Kurzmeldungsdienst keinen Cent Umsatz. Das Risikokapital wird nicht ewig reichen. Springt vielleicht Google ein?
BERLIN taz Der Hype um Twitter kennt derzeit keine Grenzen. Das Web-Marktforschungsunternehmen Compete.com sieht den Kommunikationsdienst bereits als drittgrößtes soziales Netzwerk der Welt hinter Facebook und MySpace. Immerhin verbuchte Twitter rund sechs Millionen Nutzer im Februar und über 50 Millionen Website-Besucher, die die 140 Zeichen langen Botschaften lesen, die man an seinen Freundeskreis und die ganze Welt "twittern" kann.
Nur macht Twitter keinen einzigen Cent Gewinn - nicht mal nennenswerte Umsätze. Wenn man die Gründer Biz Stone und Evan "Ev" Williams danach fragt, versuchen sie stets, zu beschwichtigen: Man sehe derzeit seine Hauptaufgabe darin, Nutzer für den Dienst zu gewinnen, die Plattform funktionsfähig zu halten und mit neuen Features zu optimieren. Ein Geschäftsmodell werde sich schon finden.
Diese Strategie klingt sehr nach so genannten "Eyeball"-Strategien, wie man sie bereits aus Tagen vor dem Dot-Com-Crash kannte: "Baut es und sie werden kommen." Sind erst einmal genügend Nutzer versammelt, lasse sich auch mit Werbung gutes Geld verdienen, hieß dabei die Formel. Das funktioniert allerdings in Wirtschaftskrisen nicht gerade gut.
Tatsächlich bastelt Twitter unter Ausschluss der Öffentlichkeit an verschiedenen Ansätzen zur Umsatzgenerierung. Welche das genau sind, darüber gibt es bislang allerdings nur vage Aussagen. So gab es etwa die Idee, Firmen für die Nutzung offizieller Accounts Geld zahlen zu lassen, ähnlich wie MySpace auch an Coca Cola und Co. eigene Profile verkauft, deren "Freunde" die User dann werden können. Das dürfte bei professionellen Nutzern aber kaum gut ankommen.
Zu weiteren möglichen Ideen sollen Insidern zufolge Premiumdienste für einen Monatsbetrag oder die schlichte Schaltung von passender Online-Werbung auf Twitter-Seiten gehören. Auch könnte man an jede Botschaft, die Twitter an die Nutzer verschickt, Reklame anhängen - so sehr das dann auch nerven würde.
Noch muss sich Twitter aber keine Sorgen machen, dass der Firma das Geld ausgeht. Erst im Februar gab das mit unter 100 Mitarbeitern noch vergleichsweise schlanke Unternehmen bekannt, dass man von bestehenden und neuen Investoren 35 Millionen Dollar einwerben konnte - bei einer Bewertung von 230 Millionen Dollar, wie Experten schätzten.
Diese Form der Finanzierung ist so alt wie das Internet-Zeitalter - sie funktioniert aber nur so lange, wie sich entsprechend risikobereite Investoren ("Venture Capitalists") finden. Die Investitionen kann Twitter nun langsam ausgeben, bis das Geschäftsmodell gefunden ist. Allerdings wird das nicht billig: So dürfte der Betrieb der Twitter-Server aufgrund der Zunahme der Nutzung inzwischen jeden Monat einen immerhin einstelligen Millionenbetrag im Monat kosten.
Das Versenden von SMS, über die viele Nutzer des Dienstes ihre Nachrichten erhalten, ist auch nicht umsonst: mit jeder Botschaft verliert das Unternehmen zusätzliches Geld - in den meisten Ländern ist es deshalb nicht mehr möglich, sich von Twitter SMS schicken zu lassen.
Sollten alle Stricke reißen, bleibt immer noch der Verkauf an einen reichen Online-Giganten. Internet-Experte John Battelle, der ein viel beachtetes Buch über den Aufstieg Googles geschrieben hat und heute ein Werbevermarktungsnetzwerk für Weblogs betreibt, glaubt, dass die große Suchmaschine und der Kommunikationsdienst ideal zusammenpassen würden.
Twitter sei wie der 2006 von dem Konzern für 1,65 Milliarden Dollar übernommene Filmdienst YouTube: Eine potenzielle Nutzerbeschaffungsmaschine für Google. Schon jetzt gingen von dem Videoangebot mehr Suchanfragen aus als von Portalriesen wie Yahoo - und die brächten Google beträchtliche und vor allem profitable Werbeklicks.
Eine ähnliche Entwicklung sei von der Twitter-Suchfunktion zu erwarten, über die immer mehr Nutzer erfahren wollten, über was das Netz gerade "spricht" - so unterhalten sich User dort stets auch immer über aktuelle Großereignisse oder berichten live von ihnen wie beispielsweise von den Anschlägen in Mumbai im November oder von der Notwasserung des US Airways-Fluges 1549 im New Yorker Hudson im Januar.
Auch die inzwischen stark zunehmende Verwendung von Twitter durch Promis wie Britney Spears oder Demi Moore zieht Interessierte in den Dienst hinein. Kontakte zu Google hat Twitter längst: Mitbegründer Williams hat bereits den Weblog-Dienst Blogger an den Online-Konzern verkauft. Allerdings verließ er Google schnell und soll sich dort nicht sonderlich wohl gefühlt haben.
Das Interesse an Twitter ist aber auch bei anderen Online-Konzernen groß. Während zu möglichen Verhandlungen mit Google bislang keine Silbe an die Öffentlichkeit drang, meldete das US-Wirtschaftsmagazin Businessweek in dieser Woche, dass es Verkaufsverhandlungen mit dem populären sozialen Netzwerk Facebook gab.
Geboten worden sein sollen angeblich knapp 500 Millionen Dollar. Das Vorhaben scheiterte allerdings, weil große Teile dieser Summe in Facebook-Aktien ausgezahlt werden sollten, deren Wert bislang nur schwer zu ermitteln ist. Noch ist das bekannteste Web 2.0-Unternehmen nicht an der Börse.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!