Zweiter neuer Stuttgart-Tatort: Schlamassel im Cop-Ländle
Der zweite Stuttgarter Tatort mit neuen Ermittlern wird zum klaustrophobischen Polizeithriller - "Tatort: In eigener Sache" (So., 20.15 Uhr, ARD).
Vielleicht ist das ein bisschen viel kriminalistische Kompetenz auf so engem Raum: Bei der aus dem Ruder gelaufenen Festnahme eines Drogenbosses gab es einige Tote, nun drängeln sich Beamte aus gleich drei unterschiedlichen Zuständigkeitsbereichen und streiten um die Beweisstücke. Neben den Drogenfahndern haben sich die Mordkommission und das LKA eingefunden.
Ein ziemlich unübersichtliches Schlamassel ist das also, mit dem die Ermittler Bootz (Felix Klare) und Lannert (Richy Müller) da im blutverschmierten Hotelzimmer konfrontiert werden. Zumal nicht nur ein Drogenfahnder im Kugelhagel ums Leben gekommen ist, sondern auch ein verdeckter Ermittler des LKA. Zudem muss Kommissar Bootz auch noch mit seiner eigenen Befangenheit kämpfen. Denn der zu verhörende Drogencop Wippermann (souverän wie immer: Charly Hübner), der offensichtlich etwas zu verbergen hat, ist ein alter Freund von der Polizeischule.
Offensichtlich ist aus dem neuem Stuttgarter Team doch mehr rauszuholen als der Auftakt zum Anfang des Jahres vermuten ließ. Die unverbindlichen Touristikimpressionen und die unmotiviert zu Schrott gefahrenen Mercedes-Modelle, mit der Autor Holger Karsten Schmidt und Regisseur Elmar Fischer noch ihre erste Episode andickten, sind in ihrer zweiten gemeinsamen Arbeit klug verzahnten Elementen des zeitgemäßen Großstadtkrimis gewichen.
Elmar Fischer hatte ja schon mit seinem leider zu Unrecht weitgehend untergegangenen Regiedebüt "Fremder Freund" - wohl der Film, der hierzulande am nachhaltigsten die Terror-Paranoia nach dem 11. September 2001 thematisierte - gekonnt eine Atmosphäre des Verdachts aufgebaut. Und in der "Tatort"-Episode "In eigener Sache" verdichtet er nun die Bürokratiewucherungen und das Loyalitätendickicht im Stuttgarter Cop-Ländle zu einem klaustrophobischen Polizeithriller.
Okay, wie Ermittler Lannert hier eine gefühlte Viertelstunde seiner Nachbarin zu den wunderschönen depressiven Gesängen Leonard Cohens erklärt, dass er keine Liebschaft mit ihr beginnen will, wirkt so deplatziert wie das putzige Pasta-Kochen der kleinen kriminalistischen Bürogemeinschaft ("Ich hab den Knoblauch vergessen") samt forensischer Tischgespräche ("Die Kugel schlug aus diesem Winkel in seinen Schädel").
Aber es gibt eben auch einige extrem starke Momente, die so trocken wie verstörend die Paradoxien des Ermittleralltags zeigen: Etwa wenn Bootz gemeinsam mit Lannert den Drogenfahnder verhört und dabei zwischen "Du" und "Sie" wechselt. Das "Du" gilt dem Verdächtigen, das "Sie" dem Kollegen. Eine starke Szene über falsche Vertrautheit.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!