piwik no script img

Zweiter Wahlgang "wahrscheinlich"Karsai hat offenbar nur 47 Prozent

Offenbar wurden die Wahlen in Afghanistan doch stärker geschoben als bislang gedacht. Laut "Washington Post" verliert Hamid Karsai bei der Überprüfung der Wahl die absolute Mehrheit.

Offenbar doch nur 47 Prozent Zustimmung: Wahlfälscher Karsai. Bild: dpa

BERLIN taz | Bei der Überprüfung der Ergebnisse der ersten Runde der afghanischen Präsidentschaftswahl vom 20. August hat die Beschwerdekommission den Stimmenanteil für den Amtsinhaber Hamid Karsai von 54,6 auf etwa 47 Prozent reduziert. Das meldete gestern die Washington Post unter Berufung auf ungenannte Quellen im Umfeld der Kommission. Demnach müsste Karsai jetzt doch noch in einer Stichwahl gegen seinen schärfsten Rivalen Abdullah Abdullah antreten. Die Überprüfung soll so gut wie abgeschlossen sein.

Mit der immer wieder verzögerten Bekanntgabe des Ergebnisses durch die Beschwerdekommission wird für dieses Wochenende gerechnet. Eine Sprecherin weigerte sich gestern, bereits Zahlen zu nennen.

Eine indirekte Bestätigung für den US-Zeitungsartikel ist eine Äußerung des afghanischen Botschafters in Washington, Said Tayeb Jawad. Der Karsai-Vertraute bezeichnete bei einer Rede vor dem U.S. Institute of Peace einen zweiten Wahlgang als "wahrscheinlich". Das hat bisher noch kein Politiker aus dem Lager Karsais getan.

Der Präsident selbst hat Berichte über massive Manipulationen bisher heruntergespielt und der Beschwerdekommission, in der UN-Vertreter eine starke Stellung haben, Voreingenommenheit vorgeworfen. Karsai selbst stützt die "unabhängige" Wahlkommission, die aus von ihm ernannten Mitgliedern besteht und ihn vorzeitig zum Sieger erklärt hatte.

Als jedoch am Montag ein Karsai-nahes afghanisches Mitglied der Beschwerdekommission aus Protest gegen angebliche internationale Einmischung von seinem Amt zurücktreten wollte, nahm Karsai diesen Rücktritt nicht an. Dies hätte seinen Einfluss in dem Gremium wohl auch weiter geschwächt. Zugleich könnte die Rücktrittsdrohung ein Druckmittel Karsais auf die Kommission gewesen sein.

Legt die Beschwerdekommission ihr Ergebnis vor, muss dies noch von der Wahlkommission bestätigt werden. Erst danach kann es einen zweiten Wahlgang geben. Laut Verfassung müsste dieser zwei Wochen nach Verkündung des Ergebnisses der ersten Runde erfolgen. Es gilt jedoch inzwischen als sicher, dass dies logistisch gar nicht möglich ist. Zwar sind die Wahlzettel für eine zweite Runde bereits gedruckt, doch wird damit gerechnet, dass der zweite Wahlgang erst Anfang November stattfinden kann. Dieser Termin gilt als allerletzter, bevor der Winter in den afghanischen Bergen viele Gebiete unzugänglich macht.

Während Karsai sich bisher immer gegen einen zweiten Wahlgang ausgesprochen hat, zeigt sich der frühere Außenminister Abdullah dafür ähnlich offen wie für eine mögliche Machtteilung. Sollte Karsai doch noch im ersten Wahlgang siegen, werden gewaltsame Reaktionen seiner Gegner befürchtet.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

6 Kommentare

 / 
  • L
    Laila

    @Beobachter:so schauts aus. Obamas Taube auf dem Friedensnobelpreis ist in Wahrheit eine Drohne. Den Krieg nach Pakistan zu tragen, ist Politik des Friedensnobelpreisträgers, die er bereits im Wahlkampf propagiert hat. Die pakistanische Regierung führt auf US-Druck Krieg gegen die eigene Bevölkerung. Mit seinen Kriegen schafft der Westen oftmals erst die Situation, die er mit den Kriegen angeblich verhindern will. Als ob es bewußt darum ginge, ganze Regionen dieser Erde zu destabilisieren.

    Und unsere Medien? Gleichgeschatet, mit der Schere im Kopf. Incl. immer öfter auch die taz.

  • B
    Beobachter

    Ist Statthalter Herr Quisling Karsai bei seinen amerikanischen Imperialherren in Ungnade gefallen? Wundert mich, dass erst jetzt im Westen die mediale Kampagne anläuft...

    Dabei fanden die Wahlen doch - ganz im Gegensatz zum bösen Mullah-Iran, wo die Wahlfälschung ja schon deshalb für das "demokratisch-westliche" Medienkartell per se gefälscht waren, weil dort ein unbotmäßiges sich dem US-amerikanischen Öl-Beherrsch-Hegemon wiedersetzendes Regime herrscht - voll unter Aufsicht der generös-väterlich-weisen westlichen Demokratie-Experten in Uniform!

     

    Wie ist das nur möglich :-(???

     

    Wie sehr die Medien bei uns durch subtil-tendentiöse und/oder plumpe Verdrehung bzw. Simplifizierung der genauen Umstände versuchen die Gehirne weichzukochen und für weitere Kriege empfänglich zu machen demonstriert heute morgen "Spiegel-online" bzw. seit ein paar Tagen die ARD-tagesschau etc.

     

    "Spiegel" titelt "AL KAIDA" versuche mehr Einfluss unter den Taliban zu gewinnen ergo muss nun Pakistan gegen die Monster vorgehen, mithin also ein legitimes Vorgehen. Viele Menschen seien auf der Flucht. Kopfschüttelnd dreht sich der User weg und fühlt sein Weltbild bestätigt. Taliban, Al Kaida, Pakistan, Afghanistan etc.. gehört alles zusammen.

     

    Was wieder völlig in der Gleichung fehlt sind die wahren Hintergründe und die Rolle der USA darin:

     

    Seit Monaten bombardieren Drohnen der Amis Dörfer in Waziristan weil sie dort Taliban vermuten, dadurch sind Hunderte von Zivilisten gestorben, was den Zorn der dortigen Landbevölkerung (die allerdings zu den Paschtunen und damit zur Ethnie gehört, aus denen die Taliban hervorgehen) hervorruft zunehmend. Die Taliban erhalten immer mehr Unterstützung dort und der Hass auf die Amis und die Zentralregierung in Islamabad wächst. Dort hat man wiederholt protestiert gegen die fortgesetzte Verletzung pakistanischen Territoriums durch amerikanische Truppen. Man ist zunehmen gezwungen worden, weil das Islamabad dazu zwingt gegen die stärker werdenden Taliban vorzugehen, die sich bis dahin darauf beschränkten im eigenen Land Afghanistan zu operieren.

    Durch die US-Aktionen, den Krieg zunehmen nach Pakistan zu tragen (erinnert frappant an den Vietnam-Krieg, wo die Amis die Nachbarländer Laos und andere in den Krieg hineinzogen) eskaliert die Situation und es droht nun ein Bürgerkrieg in Pakistan.

     

    DARÜBER KEIN WORT. Die Millionen auf der Flucht gab es schon vor Monaten im Grenzgebiet zwischen Afghanistan und Pakistan. Erst jetzt, wo man unter Verdrehung von Tatsachen und Verschweigen derselben es allein so aussehen lassen kann, dass "AL KAIDA und Taliban" (welche unter Verbreieinheitlichung sämtlicher Gegebenheiten vor Ort für den vermeintlich blöden zu manipulierenden User) alles verursachen, werden erstmals krokodilstränenheuchlerisch die armen armen Flüchtlinge erwähnt.

     

    SO funktioniert MEinungsmache und sog. freie Berichterstattung im "Sturmgeschütz der US-Kriegsppropanda und Kriegsrechtfertigungs-Blatt" sowie anderer mundtoter Medien, wenn es um Kritik am großen Bruder USA (oder im Falle des Nahost-Konflikts, wo der Westen sehenden Auges zur israelischen Besatzung schweigt) geht.

     

    Ich lese dann lieber den gesamten Background und bin froh, dass ich Englisch so gut beherrsche, dass ich die passenden Seiten wie www.antiwar.com und andere lesen kann.

  • L
    Lou

    Wieso wird verschwiegen, dass es die gleichen Vorwürfe der Wahlmanipulation gegen Abdullah Abdullah gibt? Das ist alles eine Farce. Was mich wundert, dass der US-Büttel Karsai das noch so mit sich machen läßt, statt den USA alles vor die Füße zu werfen. Mit seinem Geld könnte er in Monaco gut leben.

  • M
    me.

    Die sind bloß neidisch weil die Iren beim EU-Referndum auch zwei mal wählen-gemusst-durften.

     

    Ich bin da gar irgendwie nicht richtig informiert mit dem ganzen Wahlgedöns.

     

    Wer hat in Irland beim ersten EU-Referendum beschissen das die nochmal wählen mussten?

    Stimmt doch, oder? Wenn bei ner Wahl was nicht richtig gelaufen ist, muss nochmal gewählt werden.

     

    Jetzt sagt doch was Leute, ihr könnt mich jetzt nicht hängen lassen...

  • GD
    Gerd D.

    US-Geheimdienst-Bericht spricht davon, daß die Gegner in Afghanistan zu 90% nicht aus Taliban und El-Kaida bestehen:

    http://terrorexperte.blogspot.com/2009/10/us-eingestandnis-wir-bekampfen-das.html

  • A
    anke

    Gar keine Wahl wäre womöglich besser gewesen als diese. Ist damit jetzt eigentlich erst die zweite oder schon die dritte Front eröffnet im offiziell noch gar nicht erklärten Afghanistan-Krieg?