: Zweite Deutsche Feiglinge
■ ZDF-Talkshow, Donnerstag, 22.10 Uhr
Zweite Deutsche Feiglinge
ZDF-Talkshow, Donnerstag, 22.10 Uhr
Ein einzigartiges Beispiel schlimmster Geschmacklosigkeit bot das ZDF in seiner heruntergekommenen Talkshow „Live“. Eingeladen waren die neue Schleswig-Holstein-Ministerin Eva Ruehmkorf und Hark Bohm. Im Gespräch mit ihnen mußte Herr Beckert darauf hinweisen, daß er selbst zur Spezies der „Erwachsenen“ gehört, im Gegensatz zu Bohm, dem er Pubertantentum unterstellte. Star des Abends: Fett und feist in die Runde flatschte sich Consul Weyer, von dem allgemein bekannt ist, daß er Leuten Titel verkauft. Das kann er tun, bis er platzt. Daß er allerdings mit beruhigendem Gestus seinen Freund und Geschäftspartner - Paraguays Diktator Hugo Stroessner, als einen feinen Mann, dem das Wohl seines Landes am Herzen liegt - abfeiern darf, ohne dabei ruckzuck attackiert und zurechtgewiesen zu werden, ist Ausdruck grenzenloser Hilflosigkeit, die sofort eine Kündigung von Beckert und Fried zur Folge haben müßte.
Nicht nur, daß es Hark Bohm war, der bei diesem Thema nachhakte, was die Aufgabe der Moderatoren gewesen wäre, nein, sie repräsentieren mit dämlichem Grinsen die erfolgversprechende Kombination aus vermeintlicher Ambition und erschreckender Feigheit. T. Beckert wies mit seinem „erwachsenen“, also senilen Lächeln darauf hin, daß man jetzt leider nicht über Paraguay diskutieren könne, während A. Fried sich schon auf ihre ungeheuer gewagten Fragen einstand mit dem immerbraunen Schweinderl-Staatsanwalt-Sachs vorbereitete: „Haben Sie eigentlich auch eine Krawatte in ihrem Kleiderschrank?“ Bedauernd müssen wir feststellen, daß Frau Ministerin Ruehmkorf ihren Unmut über Weyer und Kumpel Stroessner nur halbherzig zeigte. Hatte sie vorher noch in dem sturzöden Gespräch mit der kleinen Amelie (wofür aber die Ruehmkorf nichts konnte) behauptet, daß mehr Frauen in der Politik eine veränderte Qualität garantierten, tat sie das, wofür Frauen allgemein bekannt und beliebt sind: sie schwieg. Hark Bohm kniff sich bei Weyers Ungeheuerlichkeiten Mund und Ohren zu, was immerhin eine Meinungsäußerung war, während die Moderatoren nur froh, immer wieder froh sind, daß das Publikum wenigstens genau so dumpf auf Unterhaltung und Lachen aus ist wie sie selbst.
Der Consul und der Staatsanwalt verstanden sich auf Anhieb prächtig, wenngleich der Staatsanwalt den Klassenunterschied wahrgenommen haben wollte - Herr Weyer ist dem Bayer natürlich letztlich doch zu sehr Proli. Sachs zeigte, was Lembke schon mal bei Gottschalks „Wetten daß“ vorgeführt hatte („Leute, die Tiere im Sommer aussetzen, gehören verprügelt“ - da klatscht die Volksseeele...), er erzählte eine Anekdote aus dem Tierreich: „Als ich vor Jahren in Amerika war, gabs dort noch jede Menge Bären. Heute sind die nicht mehr da. Man schickte sie in den Norden, und wenn sie zurückkamen, wurden sie erschossen - da kamen dann keine mehr. Bei Menschen funktioniert die Abschreckung ja nicht so.“ Da klatscht der Konsul, und wir wissen jetzt, warum der Staatsanwalt möglicherweise ein Befürworter der Todesstrafe wäre, wenn der Mensch sich abschrecken ließ wie weiland die Bären...
Aber auch hier versagen die Moderatoren in einmaliger Weise. Herr Beckert zeigt der Nation, wie der erwachsene deutsche Mann ist: aussehen will er wie Muttis Liebling und feige sein wie damals Vati. Aus seinem Rückgrat ließen sich prima Lakritzschnecken rollen. Und Frollein Fried genügte ihrer Funktion als Schmalspurfeministin: Aus ihr machen wir Mäusespeck. Zucker/Ehrlichmann
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