Zweite Chance für Solarworld: Jetzt wird der Konzern umgebaut
Gläubiger und Aktionäre stimmen für ihre Enteignung und einen harten Sanierungsplan. Asbeck bleibt trotz Kritik Chef und ändert wenig an der Strategie.
FREIBURG taz | Durch enorme Zugeständnisse haben Gläubiger und Aktionäre der Firma Solarworld das Unternehmen vor der unmittelbar drohenden Insolvenz bewahrt. Eine außerordentliche Hauptversammlung machte am späten Mittwochabend den Weg frei für ein umfassendes Sanierungskonzept.
So verzichten die Gläubiger von zwei Anleihen auf 55 Prozent ihrer Forderungen in Höhe von 550 Millionen Euro und akzeptieren stattdessen neue Aktien der Solarworld; die Aktionäre nehmen unterdessen einen Kapitalschnitt von unterm Strich 95 Prozent hin.
Damit erhält der vollintegrierte Solarkonzern, der als einziger in Deutschland die gesamte Wertschöpfungskette vom Silizium bis zur Solarkomplettsystemen abdeckt, eine zweite Chance. Solarworld hat derzeit rund 2.600 Mitarbeiter mit Standorten in Bonn und Freiberg in Sachsen, aber auch im Ausland, etwa in Hillsboro im US-Bundesstaat Oregon. In Spitzenzeiten hatte Solarworld 3.500 Mitarbeiter.
Nachdem der Sanierungsbeschluss nun in trockenen Tüchern ist, bleibt jedoch die Frage, wie es weitergeht mit dem Unternehmen. Denn die ungünstigen Marktbedingungen, die das Unternehmen in die Krise führten – vor allem die billige Importware aus China –, bestehen ja weiterhin fort. Gleichwohl gibt sich das Unternehmen optimistisch, spricht von einer „positiven Fortführungsprognose“ und stützt sich dabei auf Analysen der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft PricewaterhouseCoopers, die eine Sanierung durch Einschnitte für „überwiegend wahrscheinlich“ hält.
Weitere Einschnitte drohen
An vielen Stellen soll nun umgebaut werden. Der Plan sieht zum einen die Auflösung von Altverträgen für den Siliziumeinkauf vor. Diese seien in der Vergangenheit „aus branchenüblichem Versorgungsdruck“ abgeschlossen worden, heißt es in einem Informationsmemorandum, das vor den entscheidenden Sitzungen an die Gläubiger verteilt wurde. Heute belasteten die Verträge „aufgrund nicht mehr marktgerechter Konditionen die Solarworld AG“. Ferner solle ein „globales Warengruppenmanagement“ helfen, die Einkaufspreise für Materialien und Komponenten durch Preisnachverhandlung zu senken. Einen Personalabbau zur Anpassung an reduzierte Produktionsmengen bei Vertrieb, Verwaltung und Marketing habe das Unternehmen „bereits weitgehend umgesetzt“.
Außerdem setzt Solarworld auf die Verschmelzung von Konzerngesellschaften, plant weniger Ausgaben für Marketing und eine Reduktion der TV- und Medienpräsenz. Auch eine geringere Vorstandsvergütung – der Vorstandsvorsitzende Frank Asbeck hatte im Juli 2012 seinen Verzicht auf seine Festvergütung angekündigt – steht im Sanierungsplan. Eine variable Vorstandsvergütung bezahlt die Firma aktuell ohnehin nicht, da diese an die Ausschüttungsmöglichkeiten der Gesellschaft geknüpft ist. Asbeck bleibt Chef und wichtiger Aktionär, der rund 20 Prozent halten will. Neu einsteigen soll die Solarfirma Qatar Solar mit einem Anteil von 29 Prozent für 35 Millionen Euro.
„Das Sanierungskonzept ist eine Chance für Solarworld“, sagt Analyst Andrew Murphy von der Bonner Murphy & Spitz Green Research. Ob das Solarunternehmen mit seiner Produktion aber weiterhin in Deutschland stark vertreten bleibe, stehe auf einem anderen Blatt: „Solarworld ist global aufgestellt und wird sich in Zukunft verstärkt dort hin orientieren, wo die Märkte sind – etwa nach Amerika.“
In Deutschland nämlich sei die Situation für die Solarbranche inzwischen recht schlecht. Und es bestehe die Gefahr, dass sie nach der Bundestagswahl noch schlechter werde: „Vermutlich wird es weitere Einschnitte geben“. Inzwischen gingen viele deutsche Technologiefirmen mit ihrer Produktion ins Ausland.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!