■ Mit Frauenlöhnen auf du und du: Zweidrittel-Geschlecht
Berlin (taz) – Frauen verdienen ein Drittel weniger als Männer, auch wenn sie auf Vollzeitstellen arbeiten. Diese Erkenntnis verdankt frau der neuesten Gehalts- und Lohnstrukturerhebung in Industrie, Handel und Geldgewerbe des Statistischen Bundesamts. Sogar noch unter diesem Durchschnitt liegen die weiblichen Angestellten: Selbst auf einer vollen Stelle verdiente 1990 eine Angestellte in der westdeutschen Privatwirtschaft mit 3.417 Mark brutto nur knapp 62 Prozent dessen, was ihr männlicher Kollege bekam (5.520 Mark). Arbeiterinnen haben es da mit über 70 Prozent zumindest relativ besser, wenn auch mit 2.644 Mark Monatslohn auf niedrigem Niveau.
Daß Frauen weniger verdienen als Männer ist zwar nichts Neues, aber frau gibt sich doch gern der Illusion hin, daß sich das – wenn auch langsam – ändert. Angestellte zumindest können diese Hoffnung begraben. Die letzte große Gehaltsstrukturerhebung von 1978 hatte ergeben, daß die weiblichen Angestellten immerhin noch 63,3 Prozent des Männer- Gehalts bekamen, fast eineinhalb Prozent mehr als 1990.
Jüngere Frauen haben es etwas besser als ältere. Die 25 bis 30jährigen schaffen immerhin bis zu 80 Prozent des Lohns, den Männer erwarten können. Mit höherem Alter nimmt zwar bei beiden Geschlechtern der Verdienst zu, doch bei Männern deutlich schneller als bei Frauen. Zum Teil mag das daran liegen, daß es unter den jüngeren Frauen immer mehr höherqualifizierte gibt. Verschiedene Großkonzerne, zum Beispiel Esso, haben aber überdies durch Studien belegt, daß es bei Männern viel rascher mit der Beförderung vorangeht als bei Frauen. Junge HochschulabsolventInnen haben demnach zu Anfang ungefähr gleiche Startbedingungen und gleiches Gehalt. Frauen werden dann aber viel langsamer befördert und nur bis zu einem bestimmten Punkt. Das Kinderkriegen reicht als Erklärung für den Karriereknick nicht: Die starke Gehaltsdifferenzierung zwischen Männern und Frauen findet in den ersten paar Jahren nach dem Berufsstart statt, wenn die meisten Frauen noch gar keine Kinder haben.
Frauen stehen auch deshalb schlechter da als männliche Arbeitnehmer, weil sehr viele in Branchen arbeiten, in denen besonders wenig gezahlt wird – oder vielmehr: da, wo viele Frauen beschäftigt sind, sind die Löhne am niedrigsten. Das sind nach wie vor insbesondere die Sparten Textil, Nahrungs- und Genußmittel und Einzelhandel. Gemein: Männer verdienen auch in diesen Branchen relativ gesehen gar nicht mal so schlecht; hier ist die Differenz zwischen Männer- und Frauenlöhnen am höchsten. Am weitesten ist die Gleichberechtigung da fortgeschritten, wo es ohnehin kaum Frauen gibt, in der Kfz-Industrie, am Bau und in Bergbau und Energie, wo nur jeder 14. Job von einer Frau besetzt wird. Nicola Liebert
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