: Zwei plus vier in Tempelhof
■ Deutsche und alliierte Vertreter beraten in Tempelhof über die Zukunft des Berlin-Flugverkehrs / Die alliierte Fluggesellschaften expandieren trotz der drohenden Konkurrenz durch die Lufthansa
West-Berlin. Vor der Tür steht mahnend das Luftbrückendenkmal, die „Hungerharke“. Hinter den Türen des Verwaltungsgebäudes am Flughafen Tempelhof verhandeln seit gestern wieder Vertreter der vier alliierten Mächte, der Bundesregierung und des Ostberliner Ministerrats über die Zukunft des Berlin-Flugverkehrs - und damit über die Frage, wie lange die Sonderrechte der alliierten Fluggesellschaften in Berlin noch bestehen können. Die Aufsicht über den Berlin -Flugverkehr und die Flugsicherung wird mit der Wiedervereinigung im Oktober auf jeden Fall an deutsche Stellen übergehen. Aber ob die Lufthansa, wie von ihr beantragt, bereits mit dem Winterflugplan Tegel und Schönefeld anfliegen darf, ist noch nicht entschieden. Der Flugplan tritt zwar erst am 28. Oktober in Kraft, bis zum 14. Oktober sind jedoch noch die alliierten Luftfahrtattaches in Bonn verantwortlich.
Obwohl mit dem Winterflugplan die Bonner Fluggastsubventionen wegfallen und die Tickets damit um 17 bis 27 Mark teurer werden, denken die etablierten Berliner Fluggesellschaften PanAm, British Airways, Air France und Euroberlin unverdrossen an Expansion. Selbst die Lufthansa und Air-France-Tochter Euroberlin will ihre Flotte im Winter um „mindestens zwei Maschinen“ auf dann sieben aufstocken. Zu den 252 wöchentlichen Flugpaaren, die die französisch -deutsche Gesellschaft heute anbietet, kämen dann noch etwa 100 weitere. Air France will zweimal täglich nonstop nach Paris fliegen, bisher gibt es dieses Angebot nur dreimal pro Woche. Auch bei PanAm ist - trotz der drohenden Konkurrenz der Lufthansa - „überhaupt nicht“ an eine Reduzierung des Angebots gedacht, wie Sprecher Kosel betont. Im Gegenteil: Auf der Frankfurt-Strecke, auf der PanAm jetzt schon im Stundentakt fliegt, will sie ein weiteres Flugpaar einschieben.
Bundesverkehrsminister Zimmermann will den alliierten Gesellschaften noch für eine Übergangszeit von zwei bis drei Jahren gestatten, im innerdeutschen Flugverkehr mitzumischen. Der Minister pocht aber auch auf die Zulassung der Lufthansa schon im Winter und generell auf gleiche Wettbewerbsbedingungen für alle Gesellschaften, die Tegel oder Schönefeld anfliegen möchten. Und da stehen einige Schlange. Neben der Lufthansa, die allein in Tegel mit wöchentlich 28 Flugpaaren einfallen möchte, haben die Swissair, SAS, AUA sowie die amerikanischen Carrier Delta, American Airlines und Continental Landerechte beantragt.
Auch in Schönefeld, wo heute täglich gut 100 Starts und Landungen abgewickelt werden, bewerben sich Fluggesellschaften aus aller Welt um Landerechte. Die israelische El Al sowie Singapore Airlines nehmen den Dienst schon in den nächsten Wochen auf, für den Winter rechnet Klaus Zimmermann vom Ostberliner Verkehrsministerium mit einer weiteren „deutlichen Erhöhung“ der Zahl der Flugbewegungen. Flughafendirektor Robert Grosch rechnet damit, daß sich die Zahl der Starts und Landungen in Tegel von jetzt 270 auf etwa 300 erhöht. Diese Schätzung ist freilich immer noch optimistisch. Grosch glaubt nämlich, daß die alliierten Gesellschaften ihr Angebot reduzieren, um angesichts der neuen Konkurrenz nicht plötzlich mit leeren Maschinen hin- und herzufliegen.
Der Flughafendirektor ist zuversichtlich, die zusätzlichen Flüge unterzubringen - obwohl die Flughafengesellschaft bisher stets über zu knappe Abfertigungskapazitäten geklagt hatte. Aber jetzt schon bewältigt Tegel ein Passagieraufkommen, das sich bis Jahresende vermutlich auf 6,9 Millionen Fluggäste belaufen wird. 1989 waren es eine Million weniger. Die Gesellschaften müßten eben, meinte Grosch zur taz, „in verkehrsschwächere Zeiten ausweichen“. Die Flughafenanwohner werden sich bedanken. Johannes Hauenstein von der „Bürgerinitiative gegen das Luftkreuz“ glaubt noch an das Versprechen von Bundessenatorin Heide Pfarr, daß ein Einstieg der Lufthansa nicht zu einem Anstieg der Zahl der Flugbewegungen führen dürfe. Rudolf Steinke, Sprecher von Verkehrssenator Wagner, macht da jedoch wenig Hoffnung. Die verstärkte Konkurrenz führe unweigerlich dazu, daß es - unnötige - Parallelflüge geben wird. Für Steinke ist „nicht zu sehen, daß das abzubremsen ist“.
hmt
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