: Zwei Schwerverletzte bei Briefbombenanschlag
■ Ein syrischer Arzt und eine prominente Flüchtlingshelferin sind die Opfer der vierten Briefbombenserie in Österreich. Polizei glaubt sich den Tätern auf der Spur
Berlin (taz) – Zwei neue Briefbomben erschüttern Österreich. Im Bezirk der österreichischen Stadt Mistelbach, fünfzig Kilometer nördlich von Wien, wurden zwei Menschen beim Öffnen ihrer Post schwer verletzt. Der Sicherheitschef der Bundespolizei, Michael Sika, vermutet als Urheber Mitglieder einer „Bajuwarischen Befreiungsarmee“ (BBA), die sich schon in mehreren Bekennerbriefen zu den vergangenen Sprengstoffattentaten bekannt hatte.
Eine Briefbombe zerriß dem aus Syrien stammenden Arzt Mahmud Aburuhie in seiner Praxis in Stronsdorf die rechte Hand. Die Leiterin eines Flüchtlingsprojekts in Poysdorf, Maria Loley, erlitt schwere Verletzungen an beiden Händen, als sie einen explosiven Brief in einem nahegelegenen Postamt aufriß. Lolay war im letzten Jahr mit dem Menschenrechtspreis des UNO-Flüchtlingshilfswerks UNHCR ausgezeichnet worden.
Im Wiener Innenministerium ist man sich sicher, daß die Briefbomben in Zusammenhang mit dem derzeit vor dem Wiener Landgericht stattfindenden Prozeß stehen. Dort müssen sich die Neonazis Peter Binder (28), Franz Radl (28) und Alexander Wolfert (32) wegen nationalsozialistischer Wiederbetätigung verantworten, Binder und Radl sind zudem wegen der ersten Briefbombenserie im Dezember 1993 angeklagt. Damals waren zehn Briefbomben verschickt und vier Menschen, darunter der Wiener Bürgermeister Helmut Zilk, zum Teil schwer verletzt worden. Binder und Radl bestreiten vehement, etwas mit den Bomben zu tun zu haben.
Die Staatsanwaltschaft hat in dem aufwendigen Indizienprozeß 133 Zeugen aufgeboten. Gestern sagten Helmut Zilk und die österreichische Grünen-Chefin Madeleine Petrovic, ebenfalls Adressatin einer Briefbombe im Dezember 1993, vor dem Landgericht als Zeugen aus. Kurz vor ihrem Zeugenauftritt erhielten beide anonyme Bombendrohungen. „Wir haben immer dezidiert im Zusammenhang mit dem Binder-Radl- Prozeß vor neuerlichen Briefbomben gewarnt“, heißt es aus dem Innenministerium. – Zu den Briefbombenserien und Sprengstoffattentaten im Dezember 1993, Oktober 1994 und Anfang Februar sowie im Juni diesen Jahres bekannten sich jeweils Kommandos der „Bajuwarischen Befreiungsarmee“ (BBA). In ihren detaillierten Bekennerschreiben betonte die Gruppe immer wieder, daß mit Radl und Binder die Falschen vor Gericht stünden. Hinsichtlich der zweiten und dritten Briefbombenserie bewertet man im Hause von Innenminister Caspar Einem die Hinweislage inzwischen als „sehr gut“. Das Täterprofil sei „sehr genau“, es gebe „starke Verdachtsmomente, aber keine Beweise“, betonte eine Sprecherin des Innenministeriums. bs
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