■ In der Slowakei gewann Mečiars HZDS die Wahlen: Zwei Populisten
Jedes Volk wählt sich die Regierung, die es verdient. 1992, als die SlowakInnen die Partei Vladimir Mečiars zur stärksten des Landes machten, hatte man dies ja noch verstehen können. Die Tschechoslowakei stand vor der Spaltung, und Ministerpräsident Mečiar schien der Garant dafür zu sein, daß in den komplizierten Teilungsverhandlungen die Interessen Bratislavas nicht zu kurz kommen würden. Und auch die Behauptung, daß die Slowakei ihre Probleme ohne die Bevormundung Prags besser lösen könne, hatte durchaus eine gewisse Plausibilität. Doch schon im ersten Jahr der Unabhängigkeit der Slowakei, 1993, hatte die Realität dann Mečiar eingeholt; als er schließlich vom Parlament abgewählt wurde, stand das Land vor der Zahlungsunfähigkeit. Der „starke Mann“ hatte keine der von ihm gemachten Versprechungen eingelöst – und wurde nun trotzdem gewählt. Die Regierung Moravčiks konnte innerhalb von sechs Monaten die Wirtschaft stabilisieren – und wurde abgewählt.
Das Wahlergebnis ist aber nicht allein mit der ungebrochenen Wirksamkeit des „Phänomens Mečiar“ und seinen nationalistischen Parolen zu erklären. Denn insgesamt ist es dem rechten Lager nicht gelungen, Stimmen hinzuzugewinnen. Im Vergleich zu 1992 haben Mečiars HZDS und die Slowakische Nationalpartei SNS sogar drei Prozent verloren, bei Meinungsumfragen wurde deutlich, daß zwischen beiden Parteien ein ständiger Wählerwechsel stattfindet. Da der Wahlkampf von der Privatisierungspolitik der neuen Regierung bestimmt war, befand sich die HZDS mit ihren antimarktwirtschaftlichen Parolen diesmal gegenüber der in Wirtschaftsfragen als „liberaler“ geltenden SNS im Vorteil. Die eigentliche Überraschung dieser Wahl ist somit die Niederlage des Linksbündnisses. Von den prognostizierten zwanzig Prozent blieb nach der Auszählung der Stimmen gerade mal die Hälfte übrig. Sieben Prozent stimmten statt dessen für das linkspopulistische Arbeiterbündnis von Jan Lupták und machten damit deutlich, daß sie der exkommunistischen „Partei der demokratischen Linken“, SDL, ihre wirtschaftsliberale Regierungspolitik nicht verziehen haben. Das Land hat nun zwei Populisten, Lupták und Mečiar, allzu groß sind die politischen Unterschiede hier nicht, und so wird in Bratislava bereits über eine Koalition nachgedacht.
Da Lupták die Stimmung im Lande jedoch lieber aus der Opposition heraus schürt, dürfte er eine Regierungsbeteiligung ablehnen. Doch auch die von SDL-Chef Weiß vorgeschlagene „ganz große“ Koalition aus den bisherigen Regierungsparteien und der HZDS scheint kaum realisierbar. Zu unterschiedlich sind die Programme, zu zerstritten die führenden Politiker. Diskutiert werden könnte daher schon bald ein Modell, das vor allem von den Intellektuellen Bratislavas entwickelt wurde: Da sie allen Parteien kritisch gegenüberstehen, fordern sie einen Rücktritt der führenden Politiker. Denn nur dann könnte eine neue Garde gut ausgebildeter Fachleute das Land aus dem jetzigen Chaos führen. Vielleicht bekommen die SlowakInnen die Regierung, die sie gewählt haben, doch nicht. Sabine Herre
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen