Zwei Jahre Breitscheidplatz-Terror: Polizei zeigt noch mehr Präsenz
Unmittelbar vor dem 2. Jahrestag des Attentats auf dem Breitscheidplatz werden die Sicherheitsstandards drastisch erhöht – auch wegen Straßburg.
Die Veranstalter der Weihnachtsmärkte und anderer Großevents werden es mit einem lachenden und einem weinenden Augen hören. Mehr Polizeipräsenz erhöht einerseits das Sicherheitsgefühl. Auf der anderen Seite hat der Anschlag des Attentäters Anis Amri, der am 19. Dezember 2016 zwölf Menschen tötete, auch dazu geführt, dass die Anforderungen an Sicherheitsmaßnahmen im öffentlichen Raum drastisch gestiegen sind.
„Bei vielen Orten ist es nicht einfach, sie genehmigungsfähig zu bespielen“, sagte der Geschäftsführer der landeseigenen Kulturprojekte GmbH, Moritz van Dülmen, Ende Oktober der taz.
Barrikaden zu aufwendig
Van Dülmen wollte anlässlich des 100. Jahrestags der Novemberrevolution wieder Barrikaden am Stadtschloss und in Kreuzberg errichten lassen. Doch es blieb bei der Idee. Weil eine Genehmigung für solch einen Eingriff in den öffentlichen Raum mit zu viel Aufwand verbunden wäre, griff man auf eine kleinere Lösung zurück. Nun symbolisiert ein historischer Möbelwagen das revolutionäre Geschehen. Zusammengeschoben, bildeten diese Wägen ebenfalls Barrikaden. Imagination ersetzt das Reenactment.
Vor allem die zuständigen Bezirksämter sind als Genehmigungsbehörden vorsichtig geworden. „Das ist tatsächlich nicht mehr mit der Zeit von vor zwei oder drei Jahren vergleichbar“, bilanziert van Dülmen. „Auch so etwas wie die Lichtgrenze, wo sich Hunderttausende unkontrolliert bewegen, ist in gegenwärtigen Zeiten schwierig zu verantworten.“
Das bestätigt auch der innenpolitische Sprecher der Grünen, Benedikt Lux. „Veranstalter und Behördenvertreter können persönlich haftbar gemacht werden, wenn sie grob fahrlässig gehandelt haben.“ Um dies auszuschließen, seien die Sicherheitsanforderungen der Behörden „massiv gestiegen“.
Viele sind überfordert
Benedikt Lux, Grüne
Die Möglichkeit von Massenpaniken wie bei der Loveparade in Duisburg oder Anschlägen wie dem am Breitscheidplatz müsse berücksichtigt werden. „Das überfordert viele Veranstalter“, meint Lux. „Genehmigungen gibt es oft erst kurz vor Beginn einer Veranstaltung. Damit gibt es aber kaum mehr Planungssicherheit.“
Oft seien die Kriterienkataloge für Großveranstaltungen sehr abstrakt, sagt Lux. „Wir würden sie gerne konkreter machen.“ Der Senat arbeite derzeit an einer Lösung, die Genehmigungspraxis zu vereinheitlichen und besser handhabbar zu machen. Mit einem Ergebnis sei für 2019 zu rechnen.
Nicht auszuschließen ist freilich, dass Anschläge wie in Straßburg Veranstaltungen im öffentlichen Raum weiter einschränken. Auch wenn der Regierende Bürgermeister Michael Müller (SPD) nach den jüngsten Schüssen auf dem Straßburger Weihnachtsmarkt sagte: „Berlin hat sich bewusst entschlossen, trotz dieser menschenverachtenden Gewalttat an seiner freiheitlichen, toleranten und weltoffenen Lebensweise festzuhalten. Wir wünschen auch Straßburg diese Kraft.“
Dieser Text ist Teil des aktuellen Wochenendschwerpunkts der taz Berlin zum Thema Zwei Jahre Breitscheidplatz. Darin außerdem: Ein langer Besuch im Amri-Untersuchungsausschuss des Abgeordnetenhauses
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
BSW in Koalitionen
Bald an der Macht – aber mit Risiko
Dieter Bohlen als CDU-Berater
Cheri, Cheri Friedrich
Kinderbetreuung in der DDR
„Alle haben funktioniert“
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag
Selbstzerstörung der FDP
Die Luft wird jetzt auch für Lindner dünn
Stellenabbau bei Thyssenkrupp
Kommen jetzt die stahlharten Zeiten?