Zwei Gegentore bei Hannover 96: Wolfsburg gut genug für Manchester?
Die große Frage nach dem 4:2 gegen Hannover 96: Ist Wolfsburgs Defensive gut genug für Manchester United? Die zwei Gegentore und die Art, wie sie fielen, lassen daran zweifeln.
Wer den Zustand der Abwehr des VfL Wolfsburg sieht, könnte vor dem Champions League-Spiel bei Manchester United ins Grübeln kommen. VfL-Trainer Armin Veh sagt, er mache sich keine Sorgen vor der Mittwoch-Partie in Old Trafford. Weil: "Nutzt ja nichts." Stimmt auch wieder. Die Verfassung des Teams hat er indes nach dem 4:2 gegen ein stark ersatzgeschwächtes Hannover 96 mit der knappstmöglichen Spielanalyse benannt: "Nach vorn gut, nach hinten weniger gut. Danke, das war's."
Die zwei Gegentore und die Art, wie sie fielen, zeigten erneut, dass der deutsche Fußballmeister im Herbst 2009 in der Defensivarbeit nicht an den Standard der Vorsaison heranreicht. Das liegt nach derzeitigem Erkenntnisstand weniger daran, dass Veh den Zack-Zack-Fußball seines Vorgängers Felix Magath in Ballbesitzfußball transformieren will. Eher daran, dass einige Spieler derzeit nicht in der Form des Frühjahres sind.
Das gilt am offensichtlichsten für Abwehrchef Andrea Barzagli, der in prekären Momenten neuerdings ab und an zu spät tackelt oder zu spät kommt, wie bei Balitschs Kopfball zum zwischenzeitlichen 1:1 (28.) Wo in der Vorsaison das Bollwerk Barzagli auf das Team ausstrahlte, wirkt es sich nun aus, dass der Chef mit sich kämpft und auch Linksverteidiger Marcel Schäfer an seine Grenzen stößt. Und bei Hannovers zweitem Tor zum 2:3 (50.) mündete Kollektivversagen auf der rechten Seite in ein Eigentor von Madlung.
Zwar hat man die Gegentorzahl in der VfL-Arena auf nun schon neun erhöht, aber dafür nach zwei verlorenen Heimspielen in Folge den tabellarisch und psychologisch wichtigen Dreier eingefahren, mit dem der Anschluss nach oben wieder hergestellt ist. Während der Mixed-Zone-Realismus bei Hannovers Profis fast schon ein bißchen zu abgeklärt rüber kam, spürt man bei den Wolfsburgern den Glauben, die Kompaktheit und Präzision in der Defensive werde sich schon wieder einstellen.
Die individuelle und offensive Substanz ist so groß, dass man zumindest gegen einen zweitklassigen Erstligisten auch mal vier Treffer erzielen kann, wie es Misimovic (8.), Gentner (45.), Hasebe (48.) und Dzeko (62.) taten.
Besonders exemplarisch, sowohl für Hannovers Probleme als auch für Wolfsburgs Qualiäten war Dzekos Tor zum 4:2, bei dem die formstarken VfL-Profis das einbrachten, was sie ausmacht: Kapitän Josue ertackelte im zentralen Mittelfeld gegen aufrückende Hannoveraner den Ball, der prototypische moderne Fußballer Gentner (1 Tor, 1 Assist) spielte den einfachen und damit den richtigen Ball auf Dzeko, und der nutzte seinen Speed im Eins zu Eins gegen Haggui.
Es war der zweite und "entscheidende Fehler in der Vorwärtsbewegung", wie Hannovers Trainer Andreas Bergmann bemängelte. Damit, sagte Keeper Fromlowitz "war unser Genick gebrochen." Tenor im Team: Wäre schön gewesen, aber wichtiger ist ein Heimsieg nächste Woche gegen den SC Freiburg, eines der Teams, mit den Hannover vermutlich den hinteren Teil der Liga ausspielen wird.
Armin Veh war sich selbst nach dem 4:2 nicht sicher und wechselte umgehend den amtierenden Torschützenkönig Grafite gegen Verteidiger Pekarik aus, um "mehr Stabilität zu haben." Die Stürmer sind derzeit abwechselnd in Form. Während Dzeko mit nun vier Toren Richtung Spitze der Torschützenliste strebt, hatte Grafite einen seiner berüchtigten Stolpertage.
In der Champions League freilich ist er seit seinen drei Treffern beim Auftaktsieg gegen ZSKA Moskau eine Nummer. Milan wird schon als Interessent ins Spiel gebracht (das klingt immer gut). "Jetzt stellen Sie sich einmal vor", sagte Veh, "sie spielen beide gleichzeitig so gut". Okay, stellen wir uns das vor und stellen wir uns vor, die Defensive macht keine Fortschritte. Nach heutigem Stand hieße das: Das bisher größte Spiel in der Klubgeschichte geht 6:5 für Manchester United aus. Es gibt schlimmere Vorstellungen.
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