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Zwei Drittel bangen um unser DeutschDer gefühlte Sprachverfall

Zu viel Englisch, zu viel Fernsehen, zu wenig Lesefreude: Laut einer Umfrage fürchten Alt und Jung, dass ihre Muttersprache verkommt. Mit der Realität hat das wenig zu tun.

Die deutsche Sprache verkommt nicht, es fühlt sich nur so an. Bild: dpa

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9 Kommentare

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  • A
    anke

    Er nimmt also nicht zu viel Platz weg, der Opa von onkelklaus. Deswegen muss er nicht in die Garage. Schön für den Opa. Man kann bloß hoffen für ihn, dass er nicht sehr stark zunimmt in nächster Zeit.

     

    Was ich damit sagen will? Nichts. Obwohl... Das individuelle Sprachbedürfnis scheint jedenfalls sehr unterschiedlich ausgeprägt zu sein. So, wie Menschen unterschiedlich viel Wert auf ihre Optik legen, legen sie auch unterschiedlich viel Wert auf ihren Ausdruck. Der Ausdruck ist schließlich immer auch Zeichen einer mehr oder weniger frei gewählten Zugehörigkeit. In Zeiten, in denen die Freiheit des Einzelnen bei Bedarf auch eine Freiheit von jeglicher Kommunikation sein kann, braucht man über Sprache im Grunde nicht zu streiten. Schön, dass wir es trotzdem tun.

     

    Ich persönlich hätte übrigens Probleme damit, meinen Opa und das Garagenwohnen in einen missverständlichen Zusammenhang zu bringen. Onkelklaus hat diese Schwierigkeiten offenbar nicht. So lange sich unsere Wege nicht kreuzen, kann mir das egal sein. Interessant wird der Umgang des Enkelonkels (oder Onkelenkels?) mit unserer gemeinsamen Sprache erst in dem Moment, in dem ich das Bedürfbnis hätte, ihm ganz und gar unmissverständlich die Meinung zu sagen.

  • O
    onkelklaus

    Fuck German!

    Also wie überflüssig ist denn diese Diskussion. Jede Sprache entwickelt sich. Nicht einmal die Franzosen schaffen es ihren Kids zu erklären, dass der mp3player eigentlich nicht so heissen darf.

    Wen interessiert es, die Leute stellen sich um, mein Opa hat auch noch Rechenmaschine gelernt oder Rechner heute ist es der Computer und er hat einen auf dem Schreibtisch und nicht in der Garage, weil er soviel Platz wegnimmt.

    Gleiches gilt für die Sprache, Vereinfachungen setzen sich durch.

    (ohne Gewähr, dass ich mich an irgendeine Regel gehalten habe!)

  • JK
    Jens Knorr

    Was bitte hat korrekte oder inkorrekte Rechtschreibung, noch dazu von Fremdwörtern (Rhythmus, Satellit) mit Sprachverfall zu tun? Wenigstens belegt der Artikel die These, die er widerlegen sollte, da der Autorin nicht (mehr) bewusst ist, was Sprache überhaupt bedeutet.

  • AT
    Andreas Thomsen

    Der wahrgenommene Sprachverfall betrifft wohl in erster Linie die Medien und die Werbung.

     

    Genitive auch dort, wo der Dativ erforderlich ist - offenbar aus Unkenntnis: man hält den Genitiv für "feiner";

    Phrasen wie "am Ende des Tages" statt "am Ende" oder "schliesslich";

    die bekannte "Ikone" mit ihrer "ultimativen" Erscheinung als "Ikone der Pop-Kultur",

    die "Mission" anstelle des "Einsatzes";

     

    "nichtsdestotrotz" statt "nichtsdestoweniger"(vgl. "nevertheless", "neanmoins", "niemniej");

     

    "sich" statt "einander" (man vergleiche: "sie lieben sich" mit "sie lieben einander");

    "für was","auf was" statt "wofür","worauf";

    man "studiert auf Lehramt";

    hat "5 Punkte Vorsprung auf den Konkurrenten" anstatt "vor dem Konkurrenten".

     

    Man betont grundsätzlich auf der ersten Silbe, auch bei Fremdwörtern, und spricht von "LAffontähn", "VOnderleyen" statt von "la FontÄn", "von der LEYen";

     

    man spricht von "DschÖrnalisten" statt von "SchurnalIsten" usw.

    Man bringt "zeitgleich" und "gleichzeitig" durcheinander: wahrscheinlich kennt man den Unterschied gar nicht, weiß vielleicht auch gar nicht, was ein Dativ und was ein Genitiv ist usw.

     

    Auch die Grünen und andere "progressive" Gruppen haben ihr Teil beigetragen:

     

    Der Ersatz z.. von "gewaltlos" durch "gewaltfrei" hat im Grunde genommen schon die späteren militärischen Einsätze angekündigt ...

     

    Merke:

    bisher wurde noch kein einziger Anglizismus erwähnt!

     

    Hierzu:

    Denglisch sprechen und schreiben Leute, die zeigen wollen, dass sie nicht nur kein Deutsch können, sondern auch kein Englisch.

     

    Wer weiss denn schon, was "kid" auf englisch heißt, oder was ein "public viewing" ist?

    Macht nix, wir basteln uns unser Denglisch selbst, denn "schief ist englisch, und englisch ist modern" (ein Spruch meiner Großmutter aus der Kaiser-Wilhelm-Zeit).

     

    Das Problem beim Denglisch ist aber nicht die Wortwahl, sondern die Haltung. Das beste Deutsch kann aus lauter Fremdwörtern bestehen (Karl Kraus), und schlechtes Deutsch wird durch die Vermeidung von Anglizismen nicht besser.

     

    Das wahre Problem liegt wohl darin, dass vielfach die Existenz von Kriterien für sprachliche Qualität schlicht geleugnet wird - während dieselben Leute durchaus meinen, eine gute sportliche Leistung oder eine gute musikalische Darbietung von einer schlechten unterscheiden zu können.

     

    Das Problem liegt auch in der Furcht, als arrogant angesehen zu werden, wenn man an die sprachliche Leistung als eine Kunst ansieht, die man lernen, übern und verbessern kann, wenn man einen Konjunktiv I richtig verwenden und von einem Irrealis unterscheiden kann, wenn man weiss, was eine Consecutio Temporum ist, wo das Präteritum dem Perfekt vorzuziehen ist, und warum das Plusquamperfekt, z.B. "ich war zu Hause gewesen" meist falsch verwendet wird.

     

    Man vergleiche hiermit die Haltung der Franzosen zu ihrer Sprache. Auch die Engländer gehen, entgegen landläufigem Vorurteil, durchaus nicht nachlässig mit ihrer Sprache um.

     

    Spricht man das Problem des nachlässigen Umgangs mit der deutschen Sprache aber an, so wird sogleich mit Phrasen abgewehrt, wie der, dass alle Generationen von Verfall sprächen - natürlich, weil es Verfall immer gibt:

    der Unterschied besteht aber darin, ob man etwas dagegen tut oder nicht.

     

    Oder dass es so viele "eingebürgerte" Fremdwörter im Deutschen gebe - natürlich, wobei schon die Benennung "Fremdwörter" problematisch ist, denn ein Wort, dass seit Jahrhunderten im Deutschen gebräuchlich ist, ist nur dann "fremd", wenn man die "germanische" Wurzel des Deutschen als die einzig richtige ansieht. Der Unterschied besteht darin, dass der Import und die Neubildung von Pseudo-Anglizismen heutzutage viel öfter, viel schneller, und viel "industrieller" als früher geschehen: neue Wörter "diffundieren" nicht langsam ins Deutsche, sondern sie werden "gepusht", und durchaus nur in einer Richtung: es gibt nicht viele neue türkische - ausser dem zum Gemeinplatz gewordenen "Döner" - polnische oder serbisch/kroatische Wörter im Deutschen. Dies zeigt schon, dass der sprachliche Import nicht "aus dem Volk" geschieht, dem man nach Luther "aufs Maul schauen soll".

     

    Wir wundern uns über das merkwürdige Deutsch Friedrichs des zweiten, welcher meinte, "die deutschen Cantatricen wieherten wie Stuten", und im Grunde genommen nur die französische Sprache und Lebensart anerkannte. Aber im Grunde genommen nimmt jemand, der meint, ein "Song" sei etwas moderneres als ein "Lied", ein "Sound" etwas anderes als ein "Klang", eine ähnliche Haltung an, wie jener preussische König.

     

    Th.

  • AK
    Andre Kaminski

    Ein ewiges Thema, wie es scheint. Und die geäußerten Befürchtungen hätten wenig mit der Realität zu tun, heißt es. Aber ist es nicht sowieso schwer, in Sachen Sprachverfall zu stichhaltigen, evidenten, empirisch gewonnenen Diagnosen zu kommen? Die empirische Forschung ist bis heute (trotz Computern so leistungsfähig wie noch nie) in der Linguistik nur bedingt vertreten - es braucht ein riesiges Arbeitsvolumen, allein um an minimale Erkenntnisse zu kommen. Ob nun die deutsche Sprache verfällt oder nicht, etwas Erfreuliches nehme ich aus dem Artikel auf jeden Fall mit: eine Mehrheit der Deutschen scheint sich für ihre Muttersprache zu interessieren! Und kann man nicht davon ausgehen, dass die Sorge um die Sprache, die im Artikel tendenziell gegeißelt wird (weil es en vogue ist?), einfach zu einem System der Sprachpflege dazu gehört, egal ob Sorge nun berechtigt ist oder nicht? Ein Artikel wie dieser (die ja mit Regelmäßigkeit angeschwemmt werden), mit seiner behaupteten Liberalität, ist in der Beziehung wenig hilfreich. Ich persönlich, das will ich nicht verhehlen, fühle mich vom Sprachverfall verfolgt. Meine Sorge betrifft vielleicht weniger den verunsicherten Einzelnen, dem Rechtschreibung oder Grammatik Probleme bereiten. Meine Sorge betrifft ganz stark das öffentliche Erscheinungsbild des Deutschen - im Journalismus, in der Belletristik, in den Unternehmen, in der Werbung, an den Universitäten. Um ein Beispiel zum Letztgenannten zu geben: die Uni Greifswald hat sich vor nicht allzu langer Zeit einen neuen und einheitlichen Briefkopf zugelegt. Die Uni ist benannt nach Ernst Moritz Arndt. Der Briefkopf ist nun übertitelt "Ernst Moritz Arndt Universität" (sic). Ich weiß nicht, wem der fundamentale Verstoß gegen die Rechtschreibung da überhaupt noch auffällt. Nicht nur ist es formal ein Fehler, so zu schreiben; viel Schwerwiegender ist, dass eine solche Schreibweise dem Stellenwert und dem Verhalten von Zusammensetzungen im Deutschen, an die wir gewohnt sind, nicht gerecht wird. Das verantwortliche Rektorat jedenfalls tat alle Einwände mit einem Achselzucken ab. Damit haben wir eine Situation, in der eine Hochschule im öffentlichen Erscheinungsbild auf Rechtschreibung pfeifft. Ich halte das tatsächlich für symptomatisch. Und der Verstoß hat auch ein Kalkül. Vorbild dafür ist nämlich der hippe Umgang mit dem Deutschen in der Wirtschaft. Da geht es nun allerings nicht in erster Linie um Hip-Sein (wäre an sich vertretbar, denn Kreativität kann Sprache verändern), sondern um Werbungzwecke, um wirtschaftliche Interessen eben. Wirtschaftlich geprägtes Denken macht heute vor nichts mehr halt. Die Sprache ist auch ein potentielles Opfer.

  • B
    Barxxo

    "Schon seit den alten Ägyptern klagt die Generation der Erwachsenen darüber, dass alles schlechter geworden ist", meint Rudolf Hoberg.

     

    Bei dieser Art von Argumenten krig ich immer Pickel.

    Ein Kumpel von mir argumentiert genauso, wenn ich der Meinung bin, die Gesellschaft würde rücksichtsloser und gewalttätiger. Er meint dann: "Schon bei den Römern hätten sich die Alten über den Sittenverfall der Jüngeren aufgeregt.

     

    Aha? Und wo sind sie bitte jetzt, die alten Ägypter und Römer? Wieso geht eine Kultur irgendwann unter? Ist das göttliche Fügung, oder machen die Menschen das selbst?

  • S
    Sinon

    eine académie allemande ist so ziemlich das letzte was wir im land brauchen. die regeln der sprache haben sich der nutzung anzupassen und nicht umgekehrt. außerdem muss man sich ja nur mal ansehen, wie weit schriftsprache und gesprochene sprache in frankreich auseinander liegen. das kann ja wohl nicht der plan sein.

    sich über den sprachwandel aufzuregen ist auch gleichermaßen vergeblich wie unnütz. aufhalten kann man ihn nie und nimmer und ohne ihn wäre auch unser heutiges (oder für die älteren gestriges) deutsch auch nicht entstanden und wir würden noch immer altdeutsch (wenn überhaupt) sprechen. und wer wollte das?

    und zum thema sprachenvielfalt in europa: soll ich da lachen? allein auf Vanuatu (ca. 200.000 einwohner) gibt es über 100 sprachen. in europa haben wir bei 680 millionen einwohnern gerade einmal 60-70 sprachen, wovon nur 23 so bedeutend sind, dass es amtssprachen sind.

  • J
    Jones

    Das ist kein Verfall, sondern schlicht und einfach Sprachwandel. Praktische Wendungen verbreiten sich, seltsame Blüten gehen ein.

    Gab es schon immer, wird es immer geben - nur in Zeiten der Globalisierung geht der Prozess eben schneller vonstatten.

    Wer will sich bitte zum Richter über 'gutes' und 'schlechtes' Deutsch aufschwingen und beurteilen, welche Ausdrücke wertvoll sind und welche nicht?

    Es würde doch auch merkwürdig auffallen, wenn jemand heutzutage schriebe oder spräche wie Goethe - obwohl seine Sprache einhellig als 'gutes' Deutsch gilt.

    Die Sprache entwickelt sich genauso wie die ganze Umwelt - und solange es Menschen gibt, wird sich das nicht ändern.

  • FW
    Florian Wolff

    Im Artikel fehlt die durch den Vortext implizierte Erklärung: Wieso "hat das mit der Realität wenig zu tun"?

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    Und inwiefern haben die Rechtschreibkenntnisse einen direkten Bezug zum "Sprachverfall?"

     

    Sprache wird ja gesprochen und nicht geschrieben.

     

    (von Veränderungen in der Kommunikation mal ganz abgesehen - Internet(Chat, Email), Handy (SMS)...)

    __________________________________________________

    Mir fehlen hier eindeutig Belege zu Anteilen der fremdsrachigen Worte in der öffentlichen Verwendung.

    So wird um den heißen Brei herumgeredet.

    Interessant wäre doch: 1955 gab es so und so viele Englische Worte und 2007 so und so viele (die in der deutschen Öffentlichkeit regelmäßig verwendet wurden)

     

    Ich finde, man muss gerade als Linker (???) besonders darauf achten, dass man nicht nur versucht ein Ideal zu verfolgen sondern auch relevante Argumentationen führt und keine "Aushebelargumente" (Rechtschreibung) bringt.

     

     

    Thema aber in jedem Falle interessant - umfassendere und tiefgreifendere Recherche bitte!