piwik no script img

Zweckentfremdet und ordnungswidrig?

■ Mieterverein: Behörden lassen absichtlich Wohnraum leerstehen Von Heike Haarhoff

Verstößt die Stadt Hamburg durch das Leerstehenlassen stadteigener Wohnungen selbst gegen die von ihr erlassene Zweckentfremdungsverordnung? Diesen Vorwurf erhob gestern der Hamburger Mieterverein „Mieter helfen Mietern.“ „Uns sind konkret zwei Fälle bekannt, in denen die Stadt ganz bewußt Wohnraum nicht vermietet, um ihn später leichter verkaufen zu können“, kritisierte „Mieter helfen Mietern“-Jurist Jürgen Twisselmann den Mißstand. Laut Verordnung müsse die Liegenschaftsverwaltung der Finanzbehörde den Wohnraum in Altona – es handelt sich um eine 60 Quadratmeter große Wohnung im Haus Hochrad 33 sowie eine Vier-Zimmer-Altbauwohnung im Haus Rainvilleterrasse 1 – aber zumindest zur „Zwischennutzung“ freigeben, also bis zum Verkauf befristet vermieten. Alles andere sei ordnungswidrig.

In der Antwort auf eine Anfrage der GAL-Bürgerschaftsabgeordneten Heike Sudmann und Susanne Uhl hatte der Senat am 24. Mai mitgeteilt, daß von den 7 800 städtischen Wohnungen in Hamburg derzeit 100 leer stünden, davon 25 länger als sechs Monate und 35 länger als ein Jahr. „Die (...) Verwalter von stadteigenen Wohnungen sind (...) bemüht, sowohl die Anzahl dieser Wohnungen so gering wie möglich zu halten, als auch die Dauer des Leerstandes zeitlich eng zu begrenzen“, bat der Senat um Verständnis.

Das mag aber das Bezirksamt Altona bald nicht mehr haben. „Wir haben die SAGA mehrfach aufgefordert, aufzulisten, welche Wohnungen leerstehen“, so Karin Hilgendorf, Abschnittsleiterin Wohnraumschutz. Sollte sich herausstellen, daß Wohnraum zweckentfremdet wird, „können wir das unter keinen Umständen akzeptieren“, kündigte Hilgendorf an, daß das Bezirksamt der Finanzbehörde Auflagen machen und bei ganz groben Verstößen auch Bußgelder bis zu 100.000 Mark verhängen könnte.

Daß es dazu aber gar nicht kommt, hoffen SAGA und Finanzbehörde. Die Kritik des Mietervereins, Interessenten für die beiden frisch renovierten Wohnungen immer wieder abgewiesen bzw. von einer Stelle zur nächsten geschickt zu haben, wies Finanzbehörden-Sprecherin Annette Verhein-Jarren gestern zurück: Die Liegenschaft habe die SAGA mehrfach gemahnt, die Wohnungen zur Zwischennutzung freizugeben, die SAGA habe das zugesagt, nun liege die Entscheidung beim Bezirksamt. „Wenn uns das Bezirksamt Altona einen Bewerber für die Wohnungen vorschlägt, bekommt er auch den Mietvertrag“ so SAGA-Sprecher Hermann Boekholt: Die Wohnungen seien seit April befristet für ein Jahr vermietbar.

„Die Frage ist doch aber, welchen Personenkreis wir erreichen“, wandte Karin Hilgendorf ein. Bei der Wohnungsvergabestelle würden normalerweise nur Leute mit Dringlichkeitsschein vermittelt: „Das ist ein ziemlich eingeschränktes Spektrum.“ Am 12. Juni wird der Bauausschuß im Kerngebiet sich mit der Frage der leerstehenden Wohnungen befassen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen