: Zuwenig Lehre in der vollen Uni
■ Erster Lehrbericht der Bremer Uni: wenig Spielraum für Verbesserungen
Alle Jahre wieder geht an der Universität Bremen das große Zittern los. Regelmäßig erstellen „Spiegel“, „Stern“ oder „Focus“ die Ranglisten der deutschen Unis und regelmäßig landet die Uni Bremen auf einem der hinteren Plätze. Doch die Zeitschriften bewerten die Hochschulen nach so wolkigen Kriterien wie „Prestige der Uni bei ProfessorInnen“ oder „Zufriedenheit der StudentInnen“. Dem kann die Universität Bremen jetzt mit einer Bestandaufnahme der Lehre entgegentreten. Nach Befragung von DozentInnen und StudentInnen aller Fachbereiche hat sie den ersten „Lehrbericht“ vorgelegt, der bereits in der Bildungsdepution diskutiert wurde.
Der Lehrbericht gliedert sich vor allem in drei Teile: Statistik, Situationsbeschreibung der Lehre und „Maßnahmen zur Verbesserung von Lehre und Studium“. Zwischendurch steht der wichtigste Punkt: „Finanzierungsprobleme“. Denn, so der Bericht , die Krise der Lehre ist zum großen Teil eine Krise der Finanzen: Über die letzten Jahre haben immer mehr AbiturientInnen ein Studium begonnen, doch die Infrastruktur der Universitäten (Räume, DozentInnen, Bibliotheken) ist nicht mitgewachsen: „Jeder ausfinanzierte Studienplatz an deutschen Hochschulen ist rechnerisch doppelt belegt“, stellt der Bericht nüchtern fest.
Die Bestandsaufnahme der Lehre an der Uni fällt dementsprechend mau aus: Zwar werden „Probleme der didaktischen Qualifizierung des Lehrpersonals von Fachvertretern auffällig selten benannt“, doch die Studierenden sehen das ganz anders. Ihre Kritik: Profs nehmen die Probleme der Studis nicht wahr, kümmern sich mehr um die prestigeträchtige Forschung als um Lehrveranstaltungen, vermitteln Wissen ohne Zusammenhänge, sind für Rücksprachen nicht erreichbar und sind schlecht vorbereitet. „Insgesamt“, faßt der Bericht die Meinung der Studis zusammen, „mangele es vielen Lehrenden an einem Engagement für die Lehre.“
Auch sonst schlechte Noten für die äußeren Bedingungen: Es fehlt an Arbeitsmöglichkeiten , an Kommunikation zwischen DozentInnen und Studivolk und an Orientierung im Dschungel des Lehrbetriebs. Immerhin wird die Begrenzung der Studiendauer nicht ganz so heiß diskutiert wie in anderen Bundesländern: Die meisten Studiengänge halten eine Studienzeitverkürzung für nachrangig und „lehnen Sanktionsmaßnahmen wie Zwangsexmatrikulation oder Studiengebühren nach Fristüberschreitung einhellig ab.“
Der Bericht richtet sich nach Worten von Ludwig Voegelin vom Sachgebiet „Hochschulentwicklungsplanung“ der Uni nach innen und nach außen. Einerseits hat die Wissenschaftsbehörde den Bericht angefordert, andererseits sollen die Fachbereiche selbst darüber diskutieren, „warum die teilweise 70 Prozent Studienabbrecher haben“.
Verbesserungen aus Mitteln der Uni – und aus dem ISP
Was also tun? Einiges, so der Lehrbericht, will die Universität mit eigenen Mitteln erreichen: So werden seit dem vergangenen Jahr 5 bis 10 Prozent des Haushalts für die Fachbereiche für die Verbesserung der Lehre reserviert; ein Fonds soll entstehen, aus dem nach Studimeinung besonders gut lehrende DozentInnen Geld für ihre Fächer bekommen können. 300.000 Mark stehen für die „Erprobung neuer Lernformen und des Selbststudiums“ zur Verfügung. In Zukunft soll bei der Berufung von DozentInnen nicht nur auf deren wissenschaftliche Reputation, sondern auch auf die Lehrqualifikation geachtet werden. Analog zum „Forschungssemester“ verdienter ForscherInnen wird über ein „Freisemester“ für gute LehrerInnen nachgedacht; Die „Freiversuch“-Regelung soll auf die Diplomstudiengänge Bio, Physik und Politik ausgeweitet werden.
All dies kostet aber Geld. Laut Lehrbericht hat „die Universität bewiesen, daß sie bis an die Grenze ihrer haushaltsmäßigen Möglichkeiten bereit ist, das Problem der Verbesserung von Lehre und Studium ernst zu nehmen und eigene Mittel dafür einzusetzen. Sie ist in ihren Bemühungen nicht zuletzt duch die neuen Haushaltskürzungen im Regelhaushalt der Uni an ihre Grenzen gelangt.“ Denn pro Jahr muß die Uni zweistellige Millionensummen im Haushalt einsparen. Der Vorschlag deshalb: Finanzierung der verbesserten Lehre aus dem „Investitions-Sonderprogramm“: Einrichtung einer Stelle für die Evaluation der Lehre, bessere Ausstattung für Bibliotheken, Prüfungsämter und Praktikaplätze, Qualifizierung und Prämien für lehrbegeisterte DozentInnen, Einrichtung von Studienzentren etc. „Mit dem Doppelten der jetzt aus dem ISP bewilligten 300.000 Mark könnten wir vieles davon umsetzen“, meint Voegelin.
Aber ob dieses Geld fließen wird, ist ungewiß. Denn schließlich sollen aus dem ISP (in dem 1 Mia Mark über die nächsten 10 Jahre für den Ausbau der Wissenschafts-Infratruktur vorgesehen sind) Maßnahmen zur „Stärkung der Bremischen Wirtschaftskraft“ finanziert werden. Und ob neben dem Bau von High-Tech-Instituten die Aufstockung einer Bibliothek unter diese Bedingung fällt, wird zumindest in der Wirtschafts- und Finanzbehörde bezweifelt. „Wirtschaftsförderung ist auch Wissenschaftsförderung“, meint dagegen Voegelin. „Erstens bilden wir hochqualifizuierte Arbeitskräfte aus, und zweitens nützen einem besondere Forschungsschwerpunkte auch nichts mehr, wenn die Kernbereiche nicht funktionieren.“ bpo
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen