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Archiv-Artikel

Zuversicht am Werk

Als ob der Kulturtransfer seine Richtung geändert hätte: TAL R malt und näht seine Bilder aus Leinwand und Flicken. Bei Contemporary Fine Arts

Die Bildlösungen von Tal R führen aus dem Diskurs zurück in die Fläche des Bildes

VON KATRIN BETTINA MÜLLER

Tal R ist Maler. Für seine Ausstellung „Figur“ bei Contemporary Fine Arts aber scheint er sich unter die Zauberer eines entfernten Stammes begeben zu haben. Da liegen in einer Vitrine, deren Boden mit vielen kleinen Zetteln, Notizen, Entwürfen seiner Bilder und gezeichneten Bühnenbildern bedeckt ist, aus Stoff gewickelte, grob geformte Puppenkörper. Die sehen ein wenig mitgenommen aus, als hätte der Maler mit ihnen schon mal den Boden seines Ateliers aufgewischt oder sie in finsteren Vodoo-Ritualen eingesetzt. Verdächtige Kreuze markieren die kleinen Körper. Sie liegen auf den Zeichnungen ein wenig wie ein Opfer, nein, eher doch wie Wächter dieses kreativen Brodelns.

Die ganze Vitrine aber, deren Innenleben so sehr an Schaukästen aus dem Völkerkundemuseum erinnert, ist eigentlich eine Skulptur von Tal R. Ihr Titel „The King and the Kong“ führt ein Spiel weiter fort, das Tal R allenthalben in dieser Ausstellung treibt: Er nutzt den Duktus primitiver Kunst, er nutzt die Präsentationsformen ethnologischer Sammlungen und verschränkt sie mit malerischen Gesten der Moderne.

Dass die westliche Moderne schon immer einen Hang dazu hatte, sich am Exotischen und Fremden zu mästen, ist bekannt. Trotzdem aber scheint bei Tal R etwas anders als sonst, als ob der Kulturtransfer seine Richtung geändert hätte und die Kunst der Avantgarden aus Europa und den USA jetzt zum Spielmaterial einer unbekannten Kultur geworden wäre. Tal R bestickt etwa pizzagroße Pappteller mit bunten Wollfäden, bis es wie ein Jackson Pollock Dripping Painting aussieht, setzt eine Fahrradfelge aus den Ready-Mades Duchamps dazu und mischt noch etwas Dada und Bauhaus bei. Das alles liegt in der Vitrinenskulptur „Free Wheel“ auf Couchtischhöhe unter Glas.

Man könnte behaupten, dass sich die Malerei von Tal R im Spannungsfeld zwischen Figur und Abstraktion bewegt, einem klassischen Dauerbrenner der Malkultur, und hätte damit nichts Falsches gesagt. Aber die Kunst von Tal R ist viel lustiger. Sie setzt zwar mitten in einem Diskurs an, der mit der Kunst des Sampelns und Zitierens groß geworden ist und das inzwischen globale Wildern in allen verfügbaren Zeichensystemen auch kritisch zu betrachten gelernt hat. Die Bildlösungen aber, die Tal R findet und die Materialien, die er nutzt, führen schnell von der Theorie des Diskurses zurück auf die Fläche des Bildes.

Tal R wurde 1967 in Israel geboren. In Kopenhagen hat er studiert und lebt auch heute dort, weshalb er manchmal als „Danish artist“ gehandelt wird. Erfolg wird eben immer gern vereinnahmt. In New York wird er zur Zeit in der LFL Gallery präsentiert und eine Ausstellung zusammen mit Daniel Richter hob ihn gar in den Rang eines Erneueres der Malerei. „Meine Kunst geht immer vom zeitgenössischen Leben aus und ich würde sagen, dass die meisten Arbeiten von Dingen handeln, die ich an allen möglichen Orten gefunden habe, aber jedenfalls nicht in der Kunstwelt“, behauptet er. Allein durch die kompositorische Form erhalten die Dinge oft wie ein doppeltes Gesicht einen Kommentar auf eben jene Kunstwelt.

Oft erinnern die Bilder an Theaterbühnen, deren Vorhang sich noch nicht gehoben hat. Bemalte Leinwände liegen, das sieht man an den hervorspitzenden Kanten, in mehreren Lagen übereinander wie die Volants eines Unterrocks. Viele Bilder sind überhaupt genäht, aus Filz und dünnem Futterstoff, dessen nur grob geheftete Kanten ausfransen. Eigentlich scheinen dies fadenscheinige Lumpengewänder, in die das Bild sich gehüllt hat. Allein die Formen und Farben der Flicken folgen dann doch einer Bildkomposition. Ob sie nun Figuren meinen oder bloß unidentifizierbare Flecken bleiben, stets sind die Formen reduziert, die Konturen klar und die Gliederung stabil. Das verleiht selbst gänzlich abstrakten Gebilden die greifbare Dinglichkeit von Kinderbuchillustrationen. Nicht der Zweifel am Darstellbaren wird hier gepflegt, sondern die Zuversicht, dass alles Gemalte und Genähte schon irgendwie seine eigene Existenzform entwickeln wird.

„Tal R – Figur“, Contemporary Fine Arts, Sophienstr. 21, Mo.–Fr. 10–13 und 14–18 Uhr, Sa. 11–17 Uhr, bis 29. Mai