Zusammenarbeit von Syrien und Türkei: „Nahtlose Übereinstimmung“
Syriens Übergangspräsident Al-Scharaa und sein türkischer Kollege Erdoğan betonen ihre gemeinsamen Interessen. Beide wollen die Kurden entwaffnen.
Sharaa wurde mit blauem Teppich und kleinem Pomp im Präsidentenpalast empfangen, Erdoğan eilte ihm vor der Tür entgegen. Statt eineinhalb Stunden dauerte das Treffen der beiden dann fast doppelt so lange und scheint von gutem Einvernehmen geprägt gewesen zu sein. Ahmed al-Sharaa schaute zwar bei der anschließenden Pressekonferenz so ernst wie immer, doch zwischen sich und Erdoğan wollte er anschließend kein Blatt kommen lassen.
Nachdem Erdoğan wie schon etliche Male zuvor ausgeführt hatte, dass es jetzt darum ginge, den „Terrorismus“ in Syrien endgültig zu besiegen – gemeint ist, die türkisch-kurdischen PKK-Militanten aus Syrien zu vertreiben und die syrische YPG-Miliz zu entwaffnen – stimmte ihm Sharaa in seinem Statement zu. Eine syrisch-türkische Sicherheitspartnerschaft soll helfen, dieses Ziel zu erreichen. Tatsächlich sind jetzt bereits türkische Militärberater im Land und es könnten bald noch erheblich mehr werden. Im Vorfeld des Besuchs hatte Reuters aus syrischen Quellen berichtet, es sei im Gespräch, in Syrien einen größeren türkischen Militärstützpunkt einzurichten.
Neben diesen Fragen ging es natürlich auch um den Wiederaufbau des zerstörten Landes. Türkische Baufirmen stehen bereit, in Syrien loszulegen – wenn denn eine Finanzierung in Sicht ist. Saudis und Kataris finanzieren erst einmal die laufenden Kosten des rudimentären Staatsapparates, für einen Wiederaufbau werden jedoch erhebliche Mittel auch aus Europa notwendig sein. Deshalb – so Sharaa und Erdoğan einhellig – müssten die gegen das Assad-Regime verhängten Sanktionen jetzt sofort aufgehoben werden. Diese Forderung richtet sich vor allem an die EU, die die Sanktionen erst einmal nur vorsichtig lockern will und ihre Unterstützung auf humanitäre Hilfe und Nothilfe für die Stromversorgung beschränkt. Das syrische Volk verdiene „mehr Hilfe“, meinte Erdoğan, als diese Absichtserklärungen der EU.
Schließlich zeigten Sharaa und Erdoğan sich auch einig, was Israel angeht. Beide forderten die israelische Regierung auf, den Waffenstillstand in Gaza fortzusetzen und die Grenzen Syriens zu Israel zu respektieren. Israel solle sich insgesamt auf die Grenzen von 1967 zurückziehen und einen palästinensischen Staat ermöglichen.
Vor Sharaa war am Dienstag auch der ägyptische Außenminister in Ankara, um über das weitere Vorgehen in Gaza zu sprechen. Beide Außenminister wiesen anschließend den Vorschlag von US-Präsident Trump, die Palästinenser aus Gaza auf Ägypten und Jordanien zu verteilen, vehement zurück. Mit der Türkei, Syrien, Ägypten und eventuell auch Saudi-Arabien zeichnet sich eine neue regionale Kooperation ab, die durch die Gegnerschaft zum Duo Trump und israelischer Ministerpräsident Netanjahu weiter gefestigt werden könnte.
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