■ Zur Wiederaufnahme der Energiekonsens-Gespräche: Einigkeit im Sandkasten
Ende Oktober sollen die Parteiengespräche über die künftige Energiepolitk wiederaufgenommen werden. Eine Denkpause hätte der Sache gutgetan, doch die Beteiligten zogen es vor, den Sommer zum Bauen von Sandburgen zu nutzen – eine hierzulande typische Beschäftigung. Nun zeigen sie ihre Bauwerke vor, bewehrt mit Positionstürmen und argumentativen Hängebrücken. Aus Sand sind sie alle.
Günther Rexrodt, Wirtschaftsminister, machte den Anfang: Die deutsche Kohle könne nur weiter subventioniert werden, wenn die SPD ihren Widerstand gegen die Atomenergie aufgäbe. Die wiederum protestierte heftig, es handle sich erstens um eine Erpressung und zweitens habe Kohlesubvention und Atomkraft nichts miteinander zu tun. Ersatzweise bieten sie an, den bisherigen Kohlepfennig in eine Energiesteuer umzuwandeln: eine illusorische Forderung angesichts massiver Proteste der Industrie und der Weigerung der Bonner Regierung, eine solche Steuer ohne EG-Konsens einzuführen. Laß mir mein Schäufelchen, dann darfst du das Kesselchen haben, so läßt sich munter weiter streiten. Greenpeace und BUND haben klugerweise beschloßen, an solchen Debatten nicht mehr teilzunehmen und statt dessen mit der Industrie direkt über eine sparsamere Nutzung der natürlichen Ressourcen zu verhandeln und die Chancen regenerativer Energiequellen auszuloten.
Doch diese realistischen Perspektiven werden verstellt von stammtischgerechten Profilierungsversuchen der Parteien. Die Kohlekumpel sollen plötzlich glauben, was aller Logik widerspricht. Denn auch Sozialdemokraten müßten wissen, daß die Subventionskohle den Atomstrom vergleichsweise billig macht. Wer verspricht, aus der Atomenergie aussteigen zu wollen, darf deshalb nicht zugleich versprechen, die Kohle zu verteuern. Könnten sich die Energieversorger nämlich auf dem freien Weltmarkt bedienen, wären sie mit den Atomkraftgegnern schnell einig.
Die Option für die Atomkraft, von der der liberale Wirtschaftsminister wider besseres Wissen schwadroniert, läßt sich nur einlösen, wenn der Preis der Kohle künstlich hochgehalten wird. Und wenn es um die Kohle geht, sind sich Christ- und Sozialdemokraten längst einig, die Chance eines Energiekonsenses ist vertan. Bezahlen werden zuerst die Kumpel, deren Arbeitsplätze so nicht zu halten sind. Denn auch Deutschland wird seinen Markt für die Kohle Osteuropas öffnen müssen. Bezahlen werden außerdem wir alle mit unserer Gesundheit und dem „Restrisiko“ immer noch nicht stillgelegter Atomreaktoren. Das Geld, das jetzt für die Entwicklung besserer Alternativen nötig wäre, steckt dann in stillgelegten Kohlegruben und Investitionsruinen von neuen Atomkraftwerken. Niklaus Hablützel
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