Zur Vorschau: Ein Strauß für den öffentlichen Raum
■ „city.crime.contro“ vom 25.-30. Mai: Alternativ zu der endlosen, immergleichen Stadtentwicklungsdiskussion etablierter Institutionen lädt die Viertel-Subkultur zum Vortragsmarathon mit garantiert wahnwitzigen Ideen UND Konzerten UND Straßenfegen UND ...
Eines Tages beschlossen die Oberen in Bremen: Dies ist eine saubere Stadt, beziehungsweise soll es eigentlich sein, weshalb künftiglich das wilde Plakatieren gezähmt werden sollte. Stromkästen wurden vermietet zum Zwecke ordnungsgemäßer Konzerthinweise, Häuserwände wurden gereinigt, und all die kleinen Veranstalter, die auf die preiswerte Werbemaßnahme des wilden Kleisterns nicht verzichten konnten und wollten, schlossen sich zu der Initiative 'Lebendige Stadt' (Plakatieren erwünscht) zusammen und erreichten wenig.
Was von dem sehr heterogenen Bündnis übrigblieb, überlegte weiter. Ulf Treger, einer der Veranstalter der Aktionstage „city.crime.control“ vom 25. bis zum 30. Mai beschreibt den Ansatz so: „Wir wollten uns nicht an einem Punkt festhalten, wie bei den Plakaten, sondern überlegen, was in dieser Stadt passiert, was sich verändert, was es für Antworten darauf gibt.“
Dabei ist die sub- und soziokulturelle Szene mit ihren zunehmend eingeschränkten Mitteln bei den Überlegungen der zentrale Gegenstand.
„Der städtische Raum entfernt sich immer mehr von der klassischen Definition als soziales Gefüge mit bestimmten Verantwortlichkeiten, Kontrollmechanismen und Freiheiten. Im Moment geht es in die Richtung, Bremen als Wirtschaftsstandort und touristisches Zentrum zu verkaufen. Da setzen wir an und sagen: Es geht nicht, aus verschiedenen kleinen Kultur- und Sozialinitiativen viele kleine Geldbeträge rauszuziehen und alles in ein Musical reinzustecken. In anderen Städten gibt es immer wieder Ansätze zu diesem Thema, und ich fand es spannend, diese Ansätze nach Bremen einzuladen, um eine Auseinandersetzung herzustellen.“
Also gibt es sechs Tage lang im Atrium (Vor dem Steintor) und anderswo Gruppen wie „Die Mission“ aus Hamburg oder den „World Peace Ballroom“ von einigen Chance 2000-Aktivisten, der den vom Abriß bedrohten Palast der Republik in Berlin zu einer „internationalen Plattform für Nicht-Regierungs-Organisationen, für das Verschmelzen alten sowie neuen Wissens, der globalen Kommunikationsstruktur, neuer revolutionärer Entwicklungen sowie größtmöglicher Öffentlichkeit“ umfunktionieren will.
„Deshalb haben wir das Salon-Konzept entwickelt, wo an jedem Abend Gäste zu verschiedenen Schwerpunkten eingeladen sind. Das ist der rote Faden. Ein anderer wichtiger Punkt ist, daß wir als Veranstalter nicht alles bestimmen, sondern offen sind.“ Es gab regelmäßig öffentliche Vorbereitungstreffen, bei denen tauchte zum Beispiel eine Gruppe von der Uni auf, und bot irgendwas zum Thema Chipkarte an.
„Wir versuchen, mit dem Spagat zwischen Inhalt und Spaß etwas zu erreichen“, sagt Ulf Treger, weshalb „city.crime.control“ von Performances und Konzerten auf der Straße über Diskussionsforen und Filmvorführungen bis zu einem Konzert mit Razzia, Scrooge und Sapere Aude im Freizeitheim Friesenstraße eine vielseitige Beschäftigung mit dem Thema ermöglicht. Eine Wettkampfshow (???) mit dem Titel „Welches Kulturprojekt in Bremen bleibt über?“ gibt es auch.
Der Übergang hin zu einer allgemeineren Betrachtung dessen, was an politischen Interessen hinter den aktuellen Entwicklungen in der Stadtplanung steckt, gehört durchaus auch dazu. Über eine Wirkung ihrer Aktionswoche machen sich die Veranstalter allerdings erst einmal keine Illusionen. Schließlich sehen es die meisten BürgerInnen nicht nur hierzulande durchaus ein, daß ihre Umgebung und sie selbst eine verwertbare Ressource für die Volkswirtschaft darzustellen haben.
„Es geht uns darum, temporär einen Raum zu erschaffen, in dem es die Möglichkeit zum Austausch gibt und nachher zu sehen, was daraus zu lernen ist, was es an Anknüpfungspunkten gibt“, meint Ulf Treger vorsichtig-tastend. „Einerseits möchten wir zwar durchaus auch nach außen treten, andererseits sagen wir in unserem Untertitel ganz eindeutig 'Subculture vs. Boredom City'.“ A.S.
„city.crime.control“ wird am Dienstag, den 25. Mai, um 15 Uhr, mit einem Konzert von „12 Kappen Wasser“ und einer Kranzniederlegung für den öffentlichen Raum im Atrium eröffnet. Bis zum 30. Mai finden täglich dort und an anderen Örtlichkeiten verschiedene Veranstaltungen statt. Termine entnehmen Sie dem Programmkalender.
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