piwik no script img

Zur VorschauWasser in der Nase

■ Warum man heute immer noch bei den Beach Boys, der ältesten Boygroup der Welt, vorbeischauen sollte

Raten Sie mal, wie die beste Schallplatte des Jahrtausends heißt. Ja, natürlich ist das eine kreuzdämliche Frage, die den einflußreichsten Musikkritikern aus Großbritannien und den USA da gestellt wurde, aber die Antwort ist dann doch interessant. Wohl weil die Stones-Fraktion wieder querschoß, wurde nämlich nicht der Favorit „Sergeant Pepper“, sondern „Pet Sounds“ von den Beach Boys auserkoren: eine Platte, die bei ihrem Erscheinen floppte, und mit der auch die Gruppe selber gar nicht glücklich war. Denn mit diesem für die Popwelt damals hochavantgardistischen Werk standen die „Beach Boys“ am Kreuzweg. Hier wurden die beiden völlig unterschiedlichen Stränge deutlich, die ihre Musik auch heute noch ausmachen. Zum einen waren und sind die Beach Boys eine harmlose, nette Popband, die wie keine andere den optimistischen, sonnigen und wohlgenährten „american way of live“ der 60er repräsentierte: „I wish they all could be california girl“, und wir alle wollten insgeheim die entsprechenden „california boys“ sein. Wenn nun diese älteste Boygroup der Welt am Freitag abend an der Seebäderkaje in Bremerhaven auftritt, ist das natürlich nur peinlich: die Boys sind inzwischen satte sechzig!

Andererseits aber gab und gibt es da immer noch Brian Wilson, den Schöpfer des Beach-Boys-Sound und einen der größten Künstler in diesem Geschäft. Er kam auf die Idee, die raffinierten Harmonien von Jazz-Vokal-Quartetten mit dem Rock'n'Roll zu verbinden, und nach ein paar Jahren, in denen er die schönsten Hits der Band komponierte, trieb ihn seine Kreativität zu musikalischen Höhen, in die ihm die Fans und der Rest der Band nicht folgen wollten.

Nach „Pet-Sounds“ ging ein Riß durch die Beach Boys, die Single „Good Vibrations“ war Wilsons letztes Werk, das er ohne Kompromisse produzieren konnte, und bei diesem herrlichen, symphonischen Popsong kann man erahnen, wie hoch die Beach Boys hätten abheben können, wenn sie Wilson nicht blockiert hätten. Wegen der vielen Hits von Brian Wilson mit diesen irren Arrangements, die im Idealfall so verknotet sind, daß sie schon wieder ganz einfach klingen, wegen dieser zeitlos guten Popmusik also lohnt es sich auch heute noch, zu den Beach Boys zu pilgern. Wilson selber stand übrigens nur einmal in seinem Leben auf einem Surfbrett, bekam Wasser in die Nase und versuchte es nie wieder. Der Ober-Beach-Boy war wasserscheu! Wilfried Hippen

The Beach Boys am Meer sind am Freitag, ab 18 Uhr, an der Seebäderkaje in Bremerhaven zu bewundern

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen