■ Zur Lage im Konflikt zwischen dem Irak, den USA und der UNO: Drohgebärden und taktische Spielchen
Kommt es schon bald zu erneuten Militärschlägen der USA und Großbritanniens gegen Irak? Oder steigen derzeit die Chancen auf neue, konsensuale Beziehungen zwischen Bagdad und der UNO und damit auch die Aussichten auf eine politische Lösung des Konflikts?
Eine sichere Voraussage ist nicht möglich. Noch immer scheinen die Regierungen Clinton und Blair nicht begriffen zu haben, daß ihre Militärschlags-Politik ein Desaster war. So fordern sie die bedingungslose Wiederaufnahme der Unscom-Mission mit gleichem Mandat und unveränderter Zusammensetzung. Damit halten sie unbeirrt an ihrer alten, inzwischen völlig unrealistischen Linie fest.
Doch diese Linie ist auch hinter den Kulissen in Washington und London längst heftig umstritten. Es mehren sich die Stimmen, die für eine schrittweise Aufhebung der Sanktionen gegen den Irak plädieren, immer wenn Saddam Hussein UN-Abrüstungsauflagen erfüllt hat. Daß Bagdad kürzlich einen entsprechenden Vorschlag Frankreichs, Chinas und Rußlands ablehnte und auf der sofortigen Aufhebung aller Sanktionen pochte, ist pure Taktik. Denn Saddam Hussein weiß: Solange die USA nicht hinter dem Vorschlag stehen, hat er ohnehin keine Chance.
Reine Taktik ist auch Bagdads Drohung, ausländische Flugzeuge über den beiden Flugverbotszonen abzuschießen, sowie die Ankündigung, die Kooperation beim Programm „Öl für Nahrungsmittel“ einzustellen. Denn auch Saddam Hussein ist derzeit eher an der Aufrechterhaltung der Flugverbotszonen interessiert. Denn diese Zonen wirkten bisher eher disziplinierend auf die dort lebenden kurdischen oder schiitischen Oppositionellen. Die blutige Verfolgung dieser Oppositionellen durch das Regime in Bagdad hat das Flugverbot nicht ernsthaft behindert.
Eine ersatzlose Einstellung des Programms „Öl für Nahrungsmittel“ kann sich Sadam Hussein innenpolitisch nicht leisten. So unzureichend dieses Programm angesichts der katastrophalen Lage der irakischen Zivilbevölkerung ist – ohne diese Hilfe wäre die Lage noch weit hoffnungsloser.
Mit den Drohungen, Forderungen und Ankündigungen der letzten Tage will Bagdad politische Punkte im Sicherheitsrat und in der arabischen Welt machen. Aufgegangen ist dieses Kalkül bis jetzt nicht. Das zeigen die jüngsten Bagdad-kritischen Äußerungen der Regierungen in Kairo und Riad. Beide hatten zuvor die britisch-amerikanischen Militärschläge noch deutlich verurteilt. Andreas Zumach
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