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■ Zum jüngsten Stopp der Waffenlieferungen an die TürkeiDiesmal eine Zäsur?

Das hatten wir doch schon. Ein scheinbar entsetzter Außenminister kündigt an, die deutschen Waffenlieferungen an die Türkei vorübergehend einzustellen. Und zwar so lange, bis die Militärs in Ankara zweifelsfrei bewiesen hätten, daß sie keine aus Deutschland gelieferten Panzer mehr gegen Kurden einsetzten, bis sie aufhörten, ganze Dörfer niederzubrennen und ihre Invasion im Nachbarland beendeten. Tatsächlich wurden in beiden vorausgegangenen Fällen die Waffenlieferungen an den Nato-Partner nach wenigen Wochen fortgesetzt. Und zwar immer dann, wenn die Empörung in der bundesdeutschen Öffentlichkeit abgeklungen war und nicht weiter auffiel, daß natürlich keine der zuvor genannten Bedingungen eingehalten wurde. Nach dem Gesetz der Serie wird in ungefähr sechs Wochen, wenn sich die Gemüter wieder mehr über Bosnien oder Burundi erregen, in Bonn erneut alles vergessen und vergeben sein und im Verhältnis zur Türkei business as usual herrschen.

Das könnte so sein, muß aber nicht. Drei Punkte sprechen dafür, daß die Europäische Union und dabei ganz besonders die Bundesregierung im Verein mit den USA diesmal tatsächlich auf Veränderungen in Ankara drängen werden. Erstens: Die Besatzung eines breiten Streifens im Nordirak, der aus türkischer Sicht nur dann Sinn macht, wenn es zu einem längerfristigen Kontrollregime entweder durch eigene oder befreundete Truppen kommt, verändert das Kräftegleichgewicht in der Region. Zweitens: Die Kurden- Frage wird durch die Migration nach Europa und die Politisierung der Kurden in diesen Ländern immer mehr auch zu einem europäischen Problem. Und drittens: Innerhalb der EU muß es in diesem Jahr eine Entscheidung über den weiteren Status der Türkei geben. Sichtbarster Ausdruck dafür wird die Abstimmung im Europäischen Parlament über die Zollunion sein. Damit verknüpft ist aber auch die Frage, ob die Zollunion Endpunkt der Integration in Europa sein solle oder letzter Schritt vor einer Vollmitgliedschaft.

Es könnte also sein, daß der neuerliche Stopp der Waffenlieferungen diesmal doch mehr ist als ein Placebo für die bundesdeutsche Öffentlichkeit. Lauter als sonst fordert Kinkel derzeit eine politische Lösung der Kurden-Frage und sogar die Einschaltung des UN-Sicherheitsrates. Das allein bringt nichts, könnte aber den Rahmen bilden für eine konzertierte Aktion, mit der tatsächlich Druck auf die türkische Regierung und die Militärs ausgeübt wird. Die Bundesrepublik und die USA sind die wichtigsten Alliierten der Türkei. Wenn beider Interessen berührt werden, besteht auch eine reale Chance, die türkische Regierung zu neuen politischen Schritten zu zwingen. Die Kurden- Frage ist nur politisch zu lösen. Politische Lösungen beginnen mit Verhandlungen. Jürgen Gottschlich

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