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■ Zum „Warnbrief“ von vier ostdeutschen RegierungschefsDurchsichtige Argumente gegen den Treuhand-Untersuchungsausschuß

Vier ostdeutsche Ministerpräsidenten haben einen Brief geschrieben. Der von der SPD-Bundestagsfraktion beantragte Treuhand-Untersuchungsausschuß ist ihnen ein Dorn im Auge. Er soll nicht sein, denn die Treuhand mache ihre Arbeit ja so ausnehmend gut. Soll nun die SPD zusammenzucken und ihren Antrag zurücknehmen?

Der Wunsch nach einem solchen Ausschuß hat in Ostdeutschland seine Wurzeln. Täglich machen die Menschen in den neuen Ländern, nicht zuletzt die Sozialdemokraten unter ihnen, die Erfahrung, daß sie angedeuteten oder auch plausiblen Vorwürfen aus Treuhandunternehmen oder von deren Betriebsräten nicht nachgehen können – alles geheim! Selbst im Falle eines so dramatischen „Vorgangs“ wie Bischofferode kostet es ungeheure Mühe, bis schließlich eine kleine Auswahl von Parlamentariern den Vertrag einsehen darf!

Nebenbei: Die Untersuchung könnte doch auch ergeben, daß die Verkäufe an Bodenspekulanten oder nicht ausreichend liquide Investoren tatsächlich nicht schuldhaft erfolgten – auch Unschuld ist möglich. Damit scheinen die Herren in ihrem sorgenvollen Brief offenbar gar nicht zu rechnen, im Gegenteil!

Im großen und ganzen, glaube ich, macht die Treuhandanstalt ihre Arbeit nach bestem Wissen und Gewissen. Für die Ausrichtung und Zielsetzung ist sie aber nicht selbst verantwortlich, sondern die Bundesregierung, namentlich der Finanzminister. Dort ist nach der Ursache vieler falscher Entscheidungen zu fahnden, die unnötig Arbeitsplätze gekostet haben. Der Bundesfinanzminister behauptet immer wieder, ein Sanierungsauftrag an die THA sei nicht nötig, Sanierung finde statt. Vielleicht beginnt mit den Management-KGen jetzt wirklich eine aktive Sanierungspolitik, wo es fast schon zu spät ist? Der im sogenannten Solidarpakt dafür verhandelte zusätzliche Betrag läßt sich im Entwurf des nächsten Bundeshaushaltes aber schon nicht mehr finden.

Deshalb ist es sinnvoll – um zukünftige Fehler zu vermeiden, um den Bürgern reinen Wein einschenken zu können, um die parlamentarischen Kontrollaufgaben einer Opposition pflichtgemäß wahrzunehmen – jetzt zu untersuchen: Wurden nicht doch überlebensfähige Treuhandbetriebe geschlossen, Arbeitsplätze vernichtet, die hätten erhalten werden können? Hat die Bundesregierung ihre Fachaufsicht wahrgenommen, auch hinsichtlich des Sanierungszieles, oder hat sie sie in dem einen oder anderen Fall sogar auf Kosten der Menschen in Ostdeutschland mißbraucht?

Ich verstehe, wenn Frau Breuel einen solchen Ausschuß lästig findet. Jenseits politischer Meinungsunterschiede unterstelle ich ihr beste Absichten. Aber daß Ministerpräsidenten aus den neuen Ländern mit ihren unterschiedlichen, aber doch oft auch höchst unerfreulichen Erfahrungen mit Treuhandentscheidungen das alles auch nicht wissen wollen, verwundert. Es zeigt nur, wie weit entfernt sie sind von der Wut und der Enttäuschung ihrer ostdeutschen Landsleute, von der sozialen Verzweiflung der Privatisierungsopfer! Den Brief der vier CDU-Ministerpräsidenten finde ich einfach durchsichtig: Die Binsenweisheit, in der Wirtschaft sei alles zu 50 Prozent Psychologie, wird zum Argument gegen die notwendige, rechtlich und politisch gebotene Untersuchung. Ihre Angst, weitere Privatisierungen würden behindert, teile ich nicht. Privatisierungen in die anschließende Pleite können wir jedenfalls ohnehin in Ostdeutschland nicht noch mehr gebrauchen.

Gestern hat der Bundesrechnungshof – auch so ein lästiges Untersuchungsorgan – das Finanzgebaren der Treuhandanstalt kritisiert: die 46 Treuhand-Direktoren haben im vergangenen Jahr über 30.000 Mark monatlich, die 135 Abteilungsleiter über 20.000 monatlich verdient. Ich erwarte einen Protestbrief der vier Ministerpräsidenten gegen den Bundesrechnungshof – wegen der schädlichen psychischen Wirkungen auf die Treuhand-Manager: Eingeschüchtert und völlig demotiviert könnten die womöglich ihre Privatisierungsarbeit einstellen. Nicht auszudenken. Wolfgang Thierse,

stellvertretender Vorsitzender der SPD

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