Zum Tode Tom Sharpes: Die Sache mit der Gummipuppe
Tom Sharpe, einer der erfolgreichsten zeitgenössischen Autoren Englands, ist gestorben. Für seinen sehr britischen Humor wird er in Erinnerung bleiben.
Niemand konnte die englische Gesellschaft so böse und witzig sezieren wie Tom Sharpe. Mit 13 Bestsellern in seiner Karriere war Sharpe einer der erfolgreichsten zeitgenössischen Autoren Englands. In Deutschland machte ihn sein Roman „Puppenmord“ (1976) Anfang der 80er schlagartig bekannt. Am Donnerstag starb der britische Autor in seinem Haus am Meer in Katalonien an seiner Diabetes-Erkrankung. Er wurde 85 Jahre alt.
Sharpes bekanntester Charakter ist Henry Wilt, die Hauptfigur von „Puppenmord“, und der darauf folgenden Wilt-Serie. Wilt, ein einfacher Hilfslehrer an einer Berufsschule irgendwo in England, ist in dem Roman mit der undankbaren Aufgabe betraut, Maurern und Fleischern die Weltliteratur nahezubringen.
Auf einer Party gerät er in eine missliche Lage mit einer Gummipuppe und wird im Folgenden unrechtmäßig verdächtigt, seine Gattin umgebracht zu haben. Im Laufe der Ermittlungen lässt sich der genervte Wilt zu dem falschen Geständnis hinreißen, den Körper seiner Frau in der Fleischfabrik entsorgt zu haben, was ihm immerhin den Respekt seiner Berufsschulklasse einbringt.
Tom Sharpe wurde 1928 in London geboren, er studierte in Cambridge. Sein Vater war Pfarrer und ein Unterstützer Adolf Hitlers. Mitte der 40er diente Sharpe bei den Royal Marines und erzählte in einem Interview, dass die Schrecken des Krieges ihn endgültig von den Ansichten seines Vaters abbrachten. 1951 zog der Autor nach Südafrika, wo er sich gegen die Apartheid engagierte. Zehn Jahre später wurde er des Landes verwiesen.
Die Erfahrungen in Südafrika inspirierten Sharpes Debütroman „Tohuwabohu“ (1971) und den Nachfolger „Mohrenwäsche“ (1973). Zurück in der Heimat arbeitete Sharpe zunächst selbst als Berufsschullehrer, bis er sich ganz dem Schreiben widmen konnte.
Sharpes „Puppenmord“ ist ein Klassiker der Gesellschaftssatire, der auf teilweise vulgäre, aber dabei immer amüsante Art die Aufstiegsträume der Mittelklasse persifliert. Sein Autor wird in Erinnerung bleiben für seine Beobachtungsgabe, seine Gags am Rande des guten Geschmacks und für seinen rabenschwarzen, bissigen und sehr britischen Humor.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Lohneinbußen für Volkswagen-Manager
Der Witz des VW-Vorstands
Deutungskampf nach Magdeburg
„Es wird versucht, das komplett zu leugnen“
Rechte Gewalt in Görlitz
Mutmaßliche Neonazis greifen linke Aktivist*innen an
Polizeigewalt gegen Geflüchtete
An der Hamburger Hafenkante sitzt die Dienstwaffe locker
Gedenken an den Magdeburger Anschlag
Trauer und Anspannung
Anschlag in Magdeburg
Vorsicht mit psychopathologischen Deutungen