Zum Tode Jakob Arjounis: Ein Frankfurter Bubb
Nur 48-jährig ist der Autor Jakob Arjouni gestorben. Sein Werk war schon früh die definitive Antwort auf die vermurkste Kohl-Gesellschaft.
Lange bevor wir in Deutschland ein neues Staatsbürgerrecht bekamen, spendierte uns Jakob Arjouni, geboren 1964, seinen Privatdetektiv Kemal Kayankaya.
Arjouni war 21 Jahre jung, als er mit „Happy Birthday, Türke!“ im Jahre 1985 sein literarisches Debüt veröffentlichte. Und was für eines! Arjouni karikierte darin mutig seine Heimatstadt Frankfurt am Main, die damals noch kein Amt für Multikultur in der Stadtverwaltung eingerichtet hatte.
Eine typische Arjouni-Szene aus dem Erstling: „Ich (Kayankaya; d. A.) trank mein Bier und überlegte, warum die Alte von Selbstmord gefaselt hatte, bis ich bemerkte, dass mich der Dritte im Jägermeisterverein anglotzte. Er gab seinem Herzen einen Stoß: ’Babbelst en gudes Deutsch. Bisde net vom Balgan?‘ Seine Hand deutete hinter sich, wo der Balkan liegen sollte.
’Ei naa, Bubsche, isch war zwaa Woche uff Maijorga.‘
’Ah, soo.‘ Pause.
’Isses schee dort unne?‘
’Schee isses scho, blos aach gefällisch, wesche de Indianer.‘
’Ah, soo.‘ Er überlegte. „Habbe Se sich da verschdändische könne?‘
’Klar, isch habb gedrommelt‘, antwortete ich ihm, trank das Bier aus und ging, ohne ein weiteres ’Ah, soo‘ abzuwarten, die Straße runter.“
Arjounis „Kayankaya“ war die definitive Antwort auf vermurkste Kohl-Gesellschaft und alte BRD. Er schuf noch vier weitere Kayankaya-Romane, in denen sein von deutschen Adoptiveltern groß gezogener Detektiv das Rhein-Main-Gebiet durchkämmte. Arjounis Fans lagen ihm bei Lesungen kichernd zu Füßen.
Im Herbst erschien mit „Bruder Kemal“ ein Nachzügler, sein letztes Buch. Nach dem Mauerfall schrieb der in Deutschland und Montpellier lebende Schriftsteller vor allem zeitkritische Romane („Magic Hoffmann“, 1996, „Cherryman jagt Mr. White“, 2011) sowie Theaterstücke. Gewalt und Nationalismus blieben die Hauptthemen.
Erst kürzlich war Arjouni mit seiner Frau Miranda und den beiden Kindern dauerhaft nach Berlin gezogen. Die Natur kennt keine Gerechtigkeit. Wie der Diogenes Verlag am Donnerstag mitteilte, erlag Jakob Arjouni 48-jährig in der Nacht zum 17. Januar einem bösartigen Krebsleiden.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Greenpeace-Mitarbeiter über Aufrüstung
„Das 2-Prozent-Ziel ist willkürlich gesetzt“
Selbstzerstörung der FDP
Die Luft wird jetzt auch für Lindner dünn
Rücktritte an der FDP-Spitze
Generalsekretär in offener Feldschlacht gefallen
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag
Iran als Bedrohung Israels
„Iran könnte ein Arsenal an Atomwaffen bauen“
Keith Kelloggs Wege aus dem Krieg
Immer für eine Überraschung gut