Zum Tode Dieter Bartetzkos: Quando, quando
Passt es in den urbanen Raum oder zerstört es ihn? Der Architekturkritiker, Buchautor und Kabarettist Dieter Bartetzko ist tot.
BERLIN taz | Viele, die ihn kannten, konnten in den letzten Monaten bemerken, dass Dieter Bartetzko gesundheitlich angeschlagen war. Weil er aber weiter seine Beiträge als Architekturkritiker der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ) veröffentlichte – darunter eine Würdigung des gläsernen „Kristallkeils“ der Europäischen Zentralbank EZB mitsamt einer Kritik von deren Funktion –, war die Bestürzung groß, jetzt vom Tod Bartetzkos am 19. Mai zu erfahren. Das war keine gute Nachricht, erst recht, da er noch jugendlich lässig und jung war, nämlich 66 Jahre.
Die nicht sehr dicht gesäte Zunft der deutschen Architekturkritik verliert mit Dieter Bartetzko einen ihrer klügsten Stimmgeber und wunderbaren Kollegen, dessen uneitle Art und Witz ihn zugleich auszeichneten. Für seine Leser war Bartetzko so etwas wie ein sanfter Lehrer, der über die schwierigen Themen Stadtplanung, Architektur, Architekturgeschichte und Denkmalpflege leicht, aber auch analytisch, richtungsweisend, ja manchmal poetisch schreiben konnte. Man wusste hinterher einfach mehr, wenn man „einen Bartetzko“ gelesen oder mit ihm gesprochen hatte.
Er holte seine Leser ab, machte sie zu Zeugen, indem er fragte, welche Qualitäten hat denn ein Haus, ist es modern, ist es „ehrlich“, kann man es gut nutzen, was erzählt uns die Architektur über sich selbst und schließlich: Passt es in den urbanen Raum oder zerstört es ihn?
Im Zeitalter der profitorientierten Renditearchitekturen und des historisierenden Fassadenschwindels, beide hasste er, waren solche Fragen manchmal tödlich für Bauherren und Architekten. Schöne, gelungene Konstruktionen – moderne Eiffels quasi –, soziale Bauwerke, Plätze und das kluge Weiterbauen im Bestand oder mit dem Denkmal lobte er.
Bartetzko war schnell
Bartetzko war kein Architekt. Der gebürtige Pfälzer studierte Kunstgeschichte und Germanistik in Frankfurt, Berlin und Marburg/Lahn. Dort promovierte er mit einer Arbeit über die Theatralik von NS-Architekturen. Danach zog es ihn nach Frankfurt, das zu seiner Stadt wurde; privat und beruflich. Erst produzierte Bartetzko als freier Journalist fürs Radio, die Frankfurter Rundschau, dann für die FAZ. Ab 1994 wurde er dort Feuilletonredakteur und schrieb über Architektur, Archäologie, Denkmalschutz, aber auch über deutsche und französische Schlagersänger, Musicals und TV-Serien.
Neben den Architekturen lag ihm die leichte Muse der BRD-Nachkriegszeit am Herzen. Er war der Fan von Caterina Valente und „Quando, quando“. Als Udo Jürgens 2014 verstarb, rief ihm Bartetzko in der FAZ nach: „In den fünf Jahrzehnten seines Schaffens ist er zur Personifikation der Bundesrepublik geworden. Die Chronologie seiner Hits liest sich wie das Protokoll des allmählichen Mentalitätswandels der Deutschen.“
2006 zeichnete ihn der Bund Deutscher Architekten BDA mit dem großen Preis der Architekturkritik aus. Niemand neidete ihm das. Auch weil er sich ab da nicht altklug oder zynisch gab, sondern weiter seinen Job machte. Man sah sich beim Schlossbau in Berlin, unter einem neuen Frankfurter Hochhaus, auf der Biennale in Venedig. Am nächsten Tag stand der Text in der FAZ, Bartetzko war schnell. Dass er quasi als Hobby oder nebenbei noch als Entertainer, Kabarettist und Sänger auftrat, wusste man nicht nur in Frankfurt. In Berlin gastierte er einmal in der Akademie der Künste mit einem Programm.
Das Gedächtnis der Stadt
Wer jetzt seine Architekturkritiken nachliest, gewinnt einen Einblick über fast ein halbes Jahrhundert Architekturgeschichte in Deutschland und über deren Kontroversen. Für Bartetzko war die Frage wichtig, wie gehen wir mit der Architektur der 50er Jahre um, wie bauen wir unsere Nachkriegsstädte weiter und mit welcher Handschrift: Postmodern und verziert mit Säulchen wie in den 1970ern lehnte er als verlogen ab. Inszeniert monumentale Architekturen bezeichnete er als er größenwahnsinnig. Da teilte er richtig aus.
Große Architekturen und große Architekten wie die Behnischs oder Gerkans, hatten sie was zu sagen, fanden in Bartetzko einen Verbündeten. Die Architekturen der alten Bundesrepublik in Bonn (Plenarsaal) und in München (Olympiastadion) oder die der „kritischen Rekonstruktion“ der 1980er und 1990er Jahre, der behutsamen Erneuerung der Berliner Friedrichstadt, der Frankfurter Altstadt oder in Braunschweig lobte er, weil sie das Gedächtnis der Stadt nicht löschten, sondern weiterschrieben. Und wenn sie es im Sound der Moderne taten, war Bartetzko ihr Fan.
Es ist schade, dass er nicht weiterschreibt. Und weitersingt.
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