Zum Tod von Ike Turner: Der große Irre des Pop
Kokain, Krankenhaus, Sexparties - und mittendrin ein paar sagenhafte Songs: Mit Ike Turner starb jetzt eine der schillernsten Figuren des Popbusiness.
Selbst wenn nur die Hälfte all der Geschichten wahr ist, die in diversen Erinnerungsbüchern über Ike Turner erzählt werden, war er einer der großen Irren der Popmusikgeschichte. Er schlug seine Frau Tina, mehrmals musste sie deshalb ins Krankenhaus, er schniefte Kokain als gäbe es kein Morgen, er soll eine Villa in Los Angeles gehabt haben, in der er jahrelang Drogen- und Sexparties für Politiker und Prominente veranstaltete, die er mit geheimen Kameras aufzeichnete.
All das wäre heute unwichtig, wenn er zusammen mit Tina nicht einige der besten Singles der Musikgeschichte gemacht hätte: viel besser als "Nutbush City Limits" oder "River Deep Mountain High" bekommt man es nicht. Ersteres lebt von der Spannung zwischen dem fiesen, gewaltverherrlichenden Gebrummel von Ike's Gitarre, und Tina's Stimme, die von der fiesen und gewalttätigen Stimmung in Nutbush singt, dem prototypischen Provinzkaff, dem man entkommen möchte und das man doch immer mit sich herumträgt.
Ganz anders "River Deep Mountain High", die letzte große Phil Spector-Produktion, die das emotionale Schleudertrauma einer Beziehung in einen breitestes Soundcinemascope übersetzt.
Nachdem Tina ihn 1975 verließ, ging es mit seiner Karriere bergab. Sein Studio brannte 1982 ab, und als er 1989 (zusammen mit Tina) in die Rock'n'Roll Hall of Fame gewählt wurde, konnte er die Zeremonie nicht besuchen, weil er wegen Kokainbesitzes gerade im Gefängnis saß. In den letzten Jahren soll er sich ein wenig beruhigt haben. Er nahm ein Bluesalbum auf, für das er einen Grammy bekam und spielte mit der britischen Comicband Gorillaz ein Stück ein. Nun ist er in San Diego gestorben. Er wurde 76 Jahre alt.
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