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Zum Tod von Fritz TeufelIm Himmel ist der Teufel los

Fritz Teufel war Kommune1-Bewohner, Spaßguerillero, Vollkornbäcker, Humorist, Fahrradkurier und taz-Reporter. Am Dienstag starb er im Alter von 67 Jahren.

Die erste Ikone der 68er: Fritz Teufel. Bild: dpa

Der entscheidende Tag im Leben von Fritz Teufel war der 2. Juni 1967. Der Polizist Karl-Heinz Kurras schießt dem arglosen Studenten Benno Ohnesorg bei der Demonstration gegen den Schah-Besuch aus eineinhalb Metern Entfernung "in Notwehr" in den Hinterkopf. Ohnesorg stirbt auf dem Weg ins Krankenhaus. Kurras wird von allen gedeckt und freigesprochen. Teufel wird als vermeintlicher Steinewerfer und Rädelsführer der Demonstration festgenommen. Obwohl 20 Zeugen seine Unschuld bestätigen, verschwindet er für 148 Tage im Knast.

Drinnen, im Gefängnis Moabit, wird der Kommunarde auch von Mitknackis und Schließern mit Respekt behandelt. Draußen entsteht eine beispiellose Solidaritätsbewegung für Teufel, getragen von der Empörung über die Hinrichtung Ohnesorgs. Schließlich muss Teufel mangels Beweisen freigelassen werden. Als er rauskommt, ist er die erste Ikone der 68er: "Als ich rauskam, war ich natürlich happy. Mit einem Ohr habe ich den politischen Diskussionen zugehört, ein anderer Teil von mir wollte lieber schmusen. Dass ich plötzlich eine Berühmtheit war, konnte ich täglich in den Zeitungen lesen. Das war nicht mehr die üblich trockene Zeitungskacke. Da waren viele Geschichten drin, die wir uns vorgelesen haben", sagte er Ende Januar dem Tagesspiegel.

Für den Politstar Teufel wird es unmöglich, ein normales Leben zu führen. Von ihm wird "action" erwartet. Die Aktionen hatten mit dem Puddingattentat auf US-Vizepräsident Humphrey, mit Verkleidungsspektakeln, Farbeiern, Sit-ins und politischem Schabernack begonnen. Sie enden mit der Festnahme 1975. Teufel trägt eine Pistole im Hosenbund, und die Polizei stellt eine abgesägte Schrotflinte sicher. Wäre ein anderer, ein friedlicherer Weg für den "humoristischen Schriftsteller" (eigene Berufsbezeichnung) Fritz Teufel möglich gewesen, zumal er viel lieber Clown als bewaffneter Kämpfer war? "Vielleicht", so Teufel in der Rückschau, hätte er sich damit begnügen können, Spaßguerillero zu sein. Nur hätte es dann auch andere Politiker gebraucht, einen anderen Umgang mit "den faschistischen Vätern", eine andere Stimmung in der Gesellschaft, in der Springer gegen die Studenten hetzt und die Polizei in Demonstrationszüge sticht "wie in eine Leberwurst", so Berlins damaliger Polizeipräsident Erich Duensing.

Vielleicht wäre auch alles ganz anders gekommen, wenn Teufel sein Fahrrad nicht vergessen hätte, als er im lauen Mai 1963 aus dem schwäbischen Provinzstädtchen Ludwigsburg nach Berlin kommt, um Publizistik, Germanistik und Theaterwissenschaft zu studieren. In Ludwigsburg ist er als Nesthäkchen einer intakten achtköpfigen "Wahnsinnsfamilie" aufgewachsen, so Teufel voller Anerkennung vor allem über seine Mutter Lotte. Wenn der Junge im Doppelkopf gewinnt, kauft er sich Bücher. Er weint, als er eine historische Darstellung des Ersten Weltkriegs liest. Er verfolgt die ersten NS-Prozesse, fährt nach Stuttgart, setzt sich in den Gerichtssaal und ist erstaunt, wie sich die angeklagten Naziverbrecher und die Richter "zum Verwechseln" ähnlich sehen.

In Berlin knüpft seine damalige Freundin Sunnhild erste Kontakte zum SDS. Teufel geht mit, er ist von der "ungeheuren Magie von Rudi Dutschke" fasziniert. Er wird aktiv bei ersten Protestaktionen, wird SDS-Mitglied: "Wir glaubten wirklich, die historische politische Fehlentwicklung der naziverseuchten Bundesrepublik korrigieren zu müssen." Und der eigentlich schüchterne, schafsanfte schwäbische Moralist wird als Mitbegründer der legendären Kommune K1 zum "Bürgerschreck" mit langen Haaren und angeblichen Sexorgien. Er schwebt auf der Wolke von 68: "Es war eine tolle Zeit. Wir waren jung und unbekümmert. In den Jahren 1967 und 1968 herrschte eine solche Vertraulichkeit und Fröhlichkeit, es war eine unglaubliche Aufbruchsstimmung und dazu diese hippiemäßige Zärtlichkeit. Wir waren richtig selig, und man konnte sich jeden Tag neu verlieben, ich habe davon reichlich Gebrauch gemacht."

1969 geht Teufel nach München, lebt in der Kommune "Wacker Einstein" mit der späteren RAF-Kämpferin Irmgard Möller zusammen. Aus Farbeiern sind Brandsätze geworden, die Gewalt hat sich verselbständigt. Die Festnahmen Teufels häufen sich. Mit der sogenannten Mai-Offensive der RAF 1972 eskaliert der bewaffnete Kampf. Auch Teufel will, dass "mehr passiert".

Bei seinem letzten Interview, ein halbes Jahr vor seinem Tod, denkt er lange über die Gewaltfrage nach und korrigiert mehrfach seine Antwort. Schließlich sagt er: "Der bewaffnete Kampf war vielleicht nicht falsch. Aber es war aussichtslos, das Abmurksen vietnamesischer Kinder beenden zu wollen, indem wir hier eine zweite Front eröffneten."

Es sei die Aufgabe Fritz Teufels gewesen, im Gefängnis zu sitzen, soll K1-Mitbegründer Dieter Kunzelmann einmal gesagt haben, und auch Teufel selbst bezeichnete sich gern als "Humorist mit Sitzfleisch". Am Ende wurden es insgesamt acht Jahre Knast. 1975 muss Teufel fünf Jahre in den Bau, doch für die gravierendsten Anklagepunkte der Lorenz-Drenkmann-Verbrechen präsentiert er nach 1.638 Tagen in der Zelle ein lupenreines Alibi. Zahlreiche Zeugen bestätigen: Teufel hatte, während der Berliner Richter Peter Lorenz entführt wurde, in einer Essener Firma unter falschem Namen Klodeckel hergestellt. Weil er für seine "anderen Sachen" (Brandsätze, Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung, Waffenbesitz) sowieso fünf Jahre gekriegt hätte, rückt er erst nach diesen fünf Jahren mit dem Alibi heraus und düpiert so die Berliner Justiz und ihre Vorverurteilung.

1980 kann Teufel "die ganze Scheiße endlich hinter sich lassen". Er beginnt ein neues Leben, wird Vollkornbäcker in London, später Fahrradkurier in Berlin. Er bleibt Humorist, schreibt ein Jahr lang regelmäßig für die taz, fährt mit dem Fahrrad durch halb Europa, verfasst Reiseberichte voller teufelscher Wortspiele. Muss es nicht wahnsinnig anstrengend sein, ein Leben lang den Clown zu spielen? "Ich kann nicht anders", sagt er im Januar dieses Jahres, schwer von Parkinson und Morbus Bechterew gezeichnet, in seinem letzten Interview. "Das ist ein innerer Trieb, der mich überkommt."

"Er war immer so ungeheuer aufrecht", beschreibt seine Frau Helene Lollo die zweite teufelsche Charaktersäule. Nach den Interviewsitzungen lehnt er es ab, ins bezahlte Taxi zu steigen, quält sich lieber auf wackeligen Beinen die Treppen zur U-Bahn hinunter. Für "Benzinesen" hatte Teufel mit seiner abgöttischen Liebe zum Fahrrad nie etwas übrig. Das Fahrrad hat er noch genutzt, als er kaum noch gehen konnte: "Meine Liebe muss damit zusammenhängen, dass der große Leonardo da Vinci das Teil erfunden hat. Es ist diese Mühelosigkeit und Leichtigkeit, mit der man sich fortbewegt. Stellen Sie sich vor, Sie fahren eine wunderschöne Straße entlang, es blüht und summt und duftet. Ein paar Mädchen stehen am Straßenrand?"

"Parkinson ans Telefon!"

Fritz Teufel ertrug acht Jahre Knast und acht Jahre Parkinson. Sein Rezept gegen die Krankheit war neben dem gelegentlichen Stoßseufzer "Parkinson ans Telefon!" ein kleiner weißer Ball. Er spielte unermüdlich Tischtennis und rekrutierte dafür als Spielpartner auch alte K1-Kommunarden: "Nach einer halben Stunde Pingpongballett kommen Körper und Nerven zur Ruhe." Liebster Spielort war ihm, notfalls auch im dicken Mantel bei Graupelschauer, eine Tischtennisplatte im Park, unweit vom Amtssitz des Bundespräsidenten. Solange der noch Köhler hieß, erzählte Teufel gern, dass die beiden dasselbe Ludwigsburger Gymnasium besucht hatten. Der Präsident und der arme Teufel. Der lebte im Wedding ohne jegliche Reichtümer, ohne Bett und Schrank, fast immer noch wie ein Student. "Ich beklage mich nicht. Ich bin genügsam, und wenn ich wirklich etwas brauche, dann bekomme ich es auch."

Sein letztes Interview sollte mit seinem berühmtesten Satz enden. Doch Teufel verweigerte sich, als er der historischen Choreografie gehorchend aufgefordert wurde, sich zu Ehren des Gerichts zu erheben: "Nein, ich werde diesen Satz nie wieder sagen, das sollen andere tun. Ich habe genug getan für die deutsche Rechtspflege!" Sein berühmter Satz - "wenns der Wahrheitsfindung dient" - ist längst nicht alles, was er zurücklässt. Auf seinem Schreibtisch stehen viele kleine Fahrradskulpturen, in den Archiven liegen unzählige Interviews. Und in unseren Köpfen bleibt das Bild eines zutiefst friedfertigen, witzigen, wenn auch zuletzt etwas bitter gewordenen, schwäbischen Moralisten mit weichem Herz. "Wir waren keine Krieger, wir waren eher Blues Brothers oder Stadtindianer, kurz vor der Einweisung in ihre Reservate. Verglichen mit den Jahrzehnten zuvor war unsere 68er Zeit eine friedvolle Epoche."

Als Ende Februar die Wirbelsäule "zumachte", war Fritz Teufel querschnittsgelähmt. Er quälte sich, Lebenslust und Abwehrkräfte schwanden. Am Dienstag ist er im Alter von 67 Jahren friedlich gestorben.

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5 Kommentare

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  • FM
    frerich man

    wieso gibt es keinen gott. fritz teufel ist gott und ihr habt es nur nicht mitgekriegt.

  • D
    Durchblicker

    Völlig deplatzierter Titel, weil es einen "Gott" und einen Himmel doch gar nicht gibt. Und das ausgerechnet bei der Taz!

  • W
    Wolfgang

    "Im Himmel ist der Teufel los!"

    Richtig, was soll das Herrgottle jetzt mit jenem ehrlichen Teufel machen?

  • RL
    Reverend Love

    Das macht mich sehr traurig.

    Ich wünsche Fritz nur, dass der Tod für ihn die Befreiung von seinem Leid war.

    Mein Mitgefühl und Beileid geht an seine Familie und alle anderen die ihn jetzt vermissen.

  • SG
    Stefan Gfroerer

    Respekt! Schade, dass es ihn nicht mehr gibt, und dass es nicht mehr wie ihn gibt.