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Zum Sterben zuviel, aber ...

■ Tarifverhandlungen im Einzelhandel vertagt; Beschäftigte sollen Arbeitsplatzsicherheit selbst finanzieren Von Stefanie Winter

Die Tarifverhandlungen im Hamburger Einzelhandel sind gestern erneut und ohne eine Annäherung der Standpunkte auf Ende des Monats vertagt worden. Erstmals – und erst nach der Mittagspause – hatten die Arbeitgeber zwar ein Gehaltsangebot vorgelegt: Um knapp eineinhalb Prozent könnten demnach Lohn und Gehalt für die kommenden elf Monate erhöht werden. Aber das ist „völlig indiskutabel“, diagnostiziert Lutz Eilrich, Sprecher der Gewerkschaft Handel, Banken und Versicherungen (HBV).

Nun drohen auch in Hamburg Warnstreiks. Darüber will die HBV heute „bundesweit koordiniert“ in Kassel beraten. Gestern hatten sich vor Arbeitsbeginn bereits rund 700 Verkäuferinnen und Verkäufer an verschiedenen Hamburger Innenstadt-Kaufhäusern zu ersten Protest-Kundgebungen getroffen. Beschäftigte, Personalräte und Gewerkschafter sprechen von „schlechter Stimmung“ und „großer Streikbereitschaft“.

Die HBV hatte eine Einkommensverbesserung von fünf Prozent, in den unteren Gehaltsgruppen um eine Mark pro Stunde gefordert. Die Deutsche Angestellten-Gewerkschaft (DAG) formulierte ihre Forderung als Wunsch nach einem Angebot, das die Kaufkraft erhalte und Arbeitsplätze sichere. Die „Zurückhaltung“ der Arbeitgeber hatte Ulf Kalkmann, Sprecher des Hamburger Einzelhandelsverbands, vor Beginn der dritten Runde mit seit Jahren stagnierenden Umsätzen begründet. „Der Einzelhandel steckt in existentiellen Schwierigkeiten“, berücksichtigt der DAG-Landesverbandsleiter Uwe Grund die Situation der Arbeitgeber. Allerdings bekämen zahlreiche – und vor allem die weiblichen Angestellten – schon jetzt ein Gehalt, das „zum Sterben zuviel, zum Leben aber zu wenig“ sei.

Eine ausgebildete Kauffrau, rechnet Grund vor, verdient als Verkäuferin ein Einstiegsgehalt von knapp 2600 brutto; eine gelernte Verkäuferin erhält 200 Mark weniger. Steigt die Kauffrau nicht zur „ersten Kraft“ neben der Abteilungsleitung auf, endet der finanzielle Aufstieg bei derzeit knapp 3200 Mark – erhältlich im fünften und allen weiteren Berufsjahren. „Die Frauen verdienen sehr wenig Geld“, meint auch HBV-Sprecher Eilrich. Obendrein sei eine Flexibilisierung der Arbeitszeit im Einzelhandel durch Wochenend- und Teilzeitarbeit sowie durch geringfügige Beschäftigung bereits sehr weit fortgeschritten.

Die Arbeitgeber aber wollen eine noch weitergehende Flexibilisierung, bestätigte Kalkmann; die Beschäftigten müßten unter Umständen einen noch geringeren Verdienst hinnehmen. Denn nur, wenn Gehälter und Sonderzahlungen abgesenkt würden, seien die Einzelhändler zu einer „Beschäftigungssicherung“ bereit. Und diese beinhaltet lediglich den Verzicht auf betriebsbedingte Kündigungen; Stellenabbau durch Fluktuation aber bleibe weiter möglich.

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