■ Zum SPD-Parteitag: Scharping-Syndrom
Was Scharping auf Bundesebene schaffen möchte, will Ditmar Staffelt auch in Berlin erreichen: Die Spree-Sozialdemokraten sollen bei der Wahl im kommenden Jahr wieder werden, was sie seit 1975 nicht mehr sind – stärkste politische Kraft. Doch nicht nur beim Anpeilen von Prozentmarken orientieren sich der Berliner und seine Partei am Vorbild in Bonn.
Auf Bundesebene ist zwischen SPD und CDU kaum noch ein Unterschied auszumachen. Überfällige – selbst von Sozialdemokraten seit langem geforderte – ökologische Reformen wurden aus dem Bundesprogramm radiert, die restliche Programmatik auf die drei Worte „Arbeit, Arbeit, Arbeit“ zusammengestrichen. Auch Staffelt will offenbar keine andere Politik betreiben. In einem Brief an seine Mitglieder forderte der Landeschef „wettbewerbsfähige“ (billigere) Energiepreise und bei den Verkehrsbetrieben „höhere Kostendeckungsgrade“ (Fahrpreiserhöhungen). Eine „sozial vertretbare Absenkung“ der Förderzahlen im sozialen Wohnungsbau (weniger Sozialwohnungen) hält er für unumgänglich, und die Polizei soll Kriminalität „präventiv“ verhindern (mehr Überwachung). Ein Gegenentwurf der Kreuzberger Delegierten auf dem heutigen Parteitag wird dafür sorgen, daß die Parteilinke Staffelts Thesen heftig kritisieren, der Streit aber folgenlos bleiben wird. Zwar hat sich die Befürchtung mancher Genossen bestätigt, in einer Großen Koalition ginge das sozialdemokratische Profil verloren. Aber statt politisches Terrain zu gewinnen, setzt Staffelt wie Scharping auf die Wähler in der Mitte. Wie er damit gegen die CDU die Wahl gewinnen will, bleibt sein Geheimnis. Dirk Wildt
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