■ Zum Polizeiskandal in Berlin und seinen Folgen: Der Hammer an der Spree
Keine Woche vergeht, in der sich Ordnungshüter in Berlin nicht neuen Vorwürfen der Körperverletzung im Amt ausgesetzt sehen. An der Spree schlagen die Polizisten schneller und fester zu als ihre Kollegen in der Restrepublik. Vor allem, wenn sie einen Tamilen, Vietnamesen, Türken, Libanesen, Koreaner, Obdachlosen oder Skinhead vor sich haben.
Daß der Polizeipräsident Berlins, Hagen Saberschinsky, sich nun genötigt sah, einen ganzen Zug der Bereitschaftspolizei aufzulösen, grenzt an eine mittlere Sensation. Denn noch vor wenigen Wochen phantasierte der Chef von 23.000 Bediensteten des Polizeivollzugsdienstes: „Es gibt keine fremdenfeindlichen Tendenzen in der Polizei.“ Der von Saberschinsky ausgestellte Persilschein für seine Untergebenen ist mindestens ebenso töricht wie die Meldung, in dem nicht gerade staatskritischen Fernsehsender RTL, 85 Prozent der Polizisten seien politisch rechtsaußen anzusiedeln.
Es liegt in der Natur der Sache, daß der Berufsstand der Polizisten wertkonservativer als beispielsweise der der Sozialarbeiter ist. Die Polizei neigt bekanntlich dazu, staatstragend mit konservativ bis reaktionär zu übersetzen. Ebenso sind unter Polizisten Antipathien gegenüber Minderheiten und normabweichenden Gruppen – das können Ausländer, aber auch Hausbesetzer oder Punks sein – verbreiteter als anderswo. Solange diese Ressentiments nicht handlungsbestimmend werden und die Aktivitäten der Polizei einer demokratischen Kontrolle unterliegen, wäre dies kein Beinbruch.
Brisant wird es allerdings, wenn Vorurteile und Rassismen eines Teils der Polizisten durch die Führungsebene legitimiert scheinen und diese alles unternimmt, die Vorwürfe als eine interne Angelegenheit der Behörde zu betrachten, die die Öffentlichkeit nicht allzu viel zu interessieren habe. Genau dies passiert in Berlin seit geraumer Zeit durch den amtierenden Innensenator Dieter Heckelmann und seinen Polizeipräsidenten Saberschinsky.
Wenn der oberste Dienstherr über Monate einen pathologischen Kreuzzug gegen Hütchenspieler führt, das Asylproblem „endlösen“ möchte, die „Ausländerkriminalität“ in Horrorszenarien beschwört, und bis vor kurzem einen Pressesprecher beschäftigte, der den ungezwungenen Umgang mit Rechtsaußen pflegt, ist es nicht verwunderlich, daß auch bei einigen Untergebenen „draußen auf der Straße“ demokratische Standards verloren gehen. Und wenn diese dann auch noch die solidarischen Anstrengungen ihrer Dienstherren mitbekommen, den von ihnen produzierten Dreck unter den Teppich zu kehren, kann man sich die „Festtagsstimmung“ auf manchen Revieren vorstellen.
Nicht vereinzelte (rassistische) Übergriffe durch Polizeibeamte sind – bei aller Entschiedenheit, mit der gegen sie vorzugehen ist – der eigentliche Skandal in Berlin, sondern die Hartnäckigkeit, mit der die latente Fremdenfeindlichkeit bis heute geleugnet wird. Was kann von einem Polizeipräsidenten an Demokratisierung seiner Behörde erwartet werden, wenn er von Pressemeldungen, die Polizeiübergriffen nachgehen, stereotyp behauptet, hier handle es sich offenbar um eine Kampagne?
Die Hauptstadt, deren politische Verantwortliche so gerne den Metropolencharakter herausheben, leistet sich eine innenpolitische Führung, die in einer oberbayerischen Gemeinde vielleicht hinzunehmen wäre (aber eigentlich nirgendwo!), für Berlin allerdings eine ernsthafte Gefährdung des inneren Friedens darstellt. Eberhard Seidel-Pielen
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