: Zum Heulen
„Media in vita in morte sumus“ (Mitten im Leben sind wir doch vom Tod umfangen): Schöner hätte es der Liebhaber alter Sprachen und junger Frauen, der Intimus zahlloser Obristen, Faschisten und Militaristen und selbsternannte Demokrat der ersten Stunde vermutlich nicht formulieren können...
Derwischt hat's ihn nun, ausgerechnet auf der Jagd, freilich hätt's auch am Biertisch sein können oder gar in fremden Betten. Und alle, alle, die ihn noch gestern dahin gewünscht haben, wo er heute - hoffentlich - ist, weinen. Ist das nicht zum Heulen?
Vergessen die Skandale, Affären und Prozesse des ehemaligen Offiziers für wehrgeistige Führung und gelernten Altphilologen und Historikers, der stets so schöne lateinische Sprüche drauf hatte, daß alle Welt seinen analytischen Verstand pries. Vergessen die diversen Bestechungsgeschichten um FIBAG, HS 30 und Starfighter, vergessen die 'Spiegel'-Affäre und die Tatsache, daß die psychopathologische Omnipotenz eines deutschen Politikers lange Zeit fröhliche Urständ feiern durfte.
FJS war der klassische Schreibtischtäter, wenn es um Atomstaat, Wiederaufrüstung und militärisch-technologischen Komplex ging. Daß deutsche Waffen wieder Weltgeltung bekamen, daß der Tod allüberall auf der Welt wieder aus deutschen Gewehrläufen kam, war nicht zuletzt sein Verdienst. So säumen Leichen seinen Weg, den er sich - ganz uneigennütziger Volksdiener - auch noch kräftig vergolden ließ; seine Erben werden's ihm danken.
Wir aber schneiden unseren Streuselkuchen an und rufen ihm, der auch darin Zeit seines Lebens „maß„los war, hinüber in die klammheimliche Gruft: „Ergo bibamus“...
Janwillem Kregel, Marburg
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen