Zum Amtsantritt des US-Präsidenten: Obama in den Trümmern von Gaza
Der Amtsantritt des neuen US-Präsidenten ist im Gazastreifen nicht wirklich Thema. Niemand hofft, dass sich die US-Politik stark ändert. Die Menschen haben andere Probleme.
Eine Gruppe von Bauern und Tägelöhnern sitzt in Gaza auf den Trümmern ihrer Häuser. Es ist später Nachmittag und im fernen Washington feiert Präsident Barack Obama seinen Amtsantritt. Fassungslos sucht Khamis Thawaf in den Überresten seines Hauses nach Dingen, die von seinem ohnehin ärmlichen Leben übrig geblieben sind.
"Obama?" Der alte Mann blickt verwundert auf. Wie kann jemand auf die Idee kommen, ihn hier in Zaytoun in dieser ländlichen Gegend des Gazastreifens nach dem neuen US-Präsidenten zu fragen. "Meine Erwartungen an Obama? Das ist doch egal - mit oder ohne ihn. Es ist immer das Gleiche", sagt er. "Die Panzer, die hierher kamen, waren amerikanischer Produktion, die Flugzeuge und die Bomben, die sie auf uns abgeworfen haben, waren made in USA. Was sollen da Obama Neues bringen?" Dann wendet er sich ab, um das letzte Tageslicht zu nutzen, noch ein paar Dinge aus dem Schutthaufen zu klauben, der einmal sein Heim war.
Umm Jamila kommt mit ihren beiden kleinen Töchtern vorbei. Auch sie hat ihr Haus verloren. Bevor sie über Obama sprechen kann, muss sie erst ein paar Geschichten loswerden, wie sie die letzten drei Wochen erlebt hat. Gleich am ersten Tag der Bodenoffensive rückten die israelischen Truppen bis zu ihrem Haus vor. Sie hatte das Pech, dass es genau auf der Linie lag, wo die Armee den Gazastreifen in zwei Teile schneiden wollte. Umm Jamilas Heim liegt ziemlich genau in der Mitte des nur 40 Kilometer langen Streifens.
Die ersten beiden Tage hatten fast 100 Bewohner des Dorfes sich in einem einzigen Haus zusammengepfercht und eine weiße Fahne gehisst. Nach zwei Tagen, erzählt die Frau, hätten sie die weiße Fahne genommen und seien langsam an den israelischen Soldaten vorbeigezogen, um dann in Richtung Norden nach Gaza-Stadt zu flüchten. Da ging Umm Jamila bereits an ihrem zerstörten Haus vorbei.
"Wir habe es vor sieben Jahren gebaut, es ist noch nicht einmal abbezahlt", sagt sie und schüttelt den Kopf. "Siehst du jemanden von der Hamas hier? Das sind alles kleine Bauern, Frauen und Kinder, die hier leben. Sie haben uns tagelang terrorisiert und all unser Hab und Gut zerstört - wie sinnlos ist das alles".
Dann setzt sie sich auf einen von einem israelischen Panzer entwurzelten Baum. Einer, wie dort hunderte herumliegen. Es riecht nach Verwesung. Einen Steinwurf entfernt liegt ein totes Pferd.
"Ich habe keine Erwartungen an Obama, nur die Hoffnung, dass sich etwas ändert", beantwort Umm Jamila dann doch noch die Obama-Frage. "Vielleicht zeigt Obama ein wenig Gnade und sieht uns Palästinenser als Menschen. Wir wollen ja keine Menschenrechte", sagt sie, "alles was wir wollen, ist, dass man uns die gleichen Rechte zugesteht wie in Amerika den Tieren".
Ein kleiner Supermarkt in Tel Hawa im Süden von Gaza-Stadt hat einen Teil der Wucht der Bomben abbekommen, die von den F16-Kampfbombern amerikanischer Produktion abgeworfen wurden. Im Laden stellen Jugendliche gerade wieder die Regale auf. Hier herrscht Optimismus, dass der Krieg vorüber ist. Am dritten Tag des Waffenstillstands ist das Geschäft bereits frisch gestrichen. Hier herrscht eine Atmosphäre jugendlichen Trotzes. "Die Hamas haben die Israelis nicht kleingekriegt", sagt einer aus der Gruppe und antwortet auf die O-Frage: "Wir brauchen weder Bush noch Obama noch den, der nach ihm kommen wird - wir haben Gott."
Im Souvenirshop "Chairman Arafat" stirbt die Hoffnung zuletzt. Drinnen der Hit: Tassen mit dem Antlitz Obamas, eingerahmt von einer amerikanischen und einer palästinensischen Flagge. Darunter steht: "Trink palästinensischen Kaffee mit amerikanischem Aroma". Daneben ein Becher mit dem Aufdruck: "Lächle - du bist in Gaza, dem größte Gefängnis der Welt".
Inzwischen ist es dunkel geworden. Obama hält seine Antrittsrede. Die Wörter "Nahost" oder "Gaza" kommen nicht darin vor. Die Jugendlichen im Supermarkt konnten sie ohnehin nicht verfolgen. Der größte Teil von Gaza hat immer noch keinen Strom. Und Khamis und Umm Jamila in Zaytoun? Deren Fernseher liegen unter den Trümmern ihrer Häuser.
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