Zulassung zur Hochschule: Software-Studium dringend empfohlen

Ein zentrales Zulassungsverfahren für Studierende über das Internet verzögert sich bis 2013 - mindestens. Schuld am Chaos will niemand sein.

Begehrte Plätze: StudentInnen im Hörsaal. Bild: dapd

BERLIN taz | Einig sind sich Wissenschaftler, Hochschulen und Bildungspolitiker nur in einer Frage: Die staatliche Softwarefirma Hochschul-Informations-System (HIS) trägt die Hauptverantwortung dafür, dass die zentrale Hochschulzulassung über das Internet immer noch nicht funktioniert - schließlich sind ihre Programme nicht fähig, die Hochschulen an das so genannte Dialogorientierte Serviceverfahren (DoSV) anzubinden.

Da 80 Prozent der deutschen Hochschulen HIS-Hochschulsoftware verwenden, kann bisher nur ein Bruchteil aller Universitäten und Fachhochschulen am zentralen Zulassungsverfahren teilnehmen. Der ursprünglich für 2011 geplante flächendeckende Start verzögert sich deshalb um mindestens zwei Jahre, bis zum Wintersemester 2013/14.

Wie es so weit kommen konnte, darüber stritten sich die beteiligten Akteure am Mittwoch im Bildungsausschusses des Bundestags erbittert. Die im Raum stehenden Pläne des Bundesbildungsministeriums, die HIS-IT-Sparte wegen des Chaos' zu privatisieren, blieben dabei völlig außen vor.

"Daumen drücken, dass es klappt"

Besonders ärgerlich sind die Verzögerungen für künftige StudienbewerberInnen. Denn bis 2013 bleibt das größte Problem des bisherigen dezentralen Zulassungsverfahrens bestehen: Wenn Studierende sich für Studiengänge an mehreren Hochschulen gleichzeitig bewerben und mehrere Zusagen annehmen, blockieren sie vorübergehend Plätze. In der Vergangenheit blieben deshalb bis zu 20.000 Studienplätze pro Semester unbesetzt.

Ein neues Verfahren über die Internetseite hochschulstart.de sollte das verhindern, indem Bewerber aus der zentralen Datei rutschen, sobald sie einen Platz angenommen haben. "Damit wir da endlich hinkommen, müssen wir jetzt über strukturelle Probleme reden und nicht mehr nur Daumen drücken, dass alles noch irgendwie klappt", sagte die Ausschussvorsitzende Ulla Borchardt am Mittwoch.

In der Sitzung selbst zeigte sich, dass es von diesen "strukturellen Problemen" jede Menge gibt - nicht nur beim staatlichen Softwarehersteller HIS. Ein Verbindungsprogramm für die HIS-Software, das die Mehrzahl der Hochschulen bräuchte, funktioniert nicht - das merkten die Sachverständigen bei der projektleitenden Stiftung für Hochschulzulassung und beim Fraunhofer-Institut für Softwaretechnik aber erst im Dezember. "Ich kann nicht glauben, dass Sie das nicht früher absehen konnten", sagte CSU-Ausschussmitglied Albert Rupprecht in Richtung der Sachverständigen.

Stefan Jähnichen, beim Fraunhofer-Institut zuständig für das technische Konzept der zentralen Zulassung, verteidigte sich: "Die Hochschulen haben die HIS-Software über Jahre hinweg individualisiert und angepasst - über dieses Software-Wirrwarr war ich mir nicht im Klaren."

Privat statt Staat?

Dass die Hochschulen ihre Software verändert haben, hatte HIS mehrfach als Grund dafür angeführt, warum das Unternehmen die Software nicht rechtzeitig liefern konnte. Indes hat das Unternehmen "Datenlotsen", eine private Konkurrenzfirma, ein System entwickelt, das die HIS-Software an das zentrale Zulassungsprogramm anbinden kann. "Vor einem Jahr haben wir ein Konzept angeboten, das ähnlich arbeitet", sagte der stellvertretene Leiter der HIS-IT-Sparte Sven Gutow. Doch der Aufsichtsrat der HIS, der aus Bund und Ländern besteht, habe die Entwicklung abgelehnt.

Das kritisierte auch das Ausschussmitglied Nicole Gohlke von der Linkspartei. Doch noch mehr interessierten sie die Andeutungen des Bundesbildungsministeriums an die Länder, die IT-Abteilung von HIS privatisieren zu wollen. "Was soll das bringen, wenn jetzt noch neue Akteure in das Chaos rein kommen?", fragte Gohlke.

Diese zentrale Frage klammerte der Ausschuss hingegen am Mittwoch aus und vertagte sie. Dabei scheint der Bund, der zu einem Drittel Besitzer der HIS ist, diese schon länger schwächen zu wollen: Von den 15 Millionen Euro, die das Bundesbildungsministerium in die Entwicklung der zentralen Zulassungssoftware steckte, kamen nur etwa 150.000 Euro bei HIS an. "Gebraucht hätten wir zur Entwicklung einer geeigneten Software 2,5 Millionen Euro", sagte Gutow von HIS-IT.

"Da denkt man unweigerlich ein paar Jahre zurück, als der Bund schon einmal Anstalten machte, die HIS auzutrocknen", sagte das SPD-Ausschussmitglied Swen Schulz der taz. Schulz spielte damit darauf an, dass das Bildungsministerium 2008 wochenlang eine Studie des HIS zurückhielt, die eine abschreckende Wirkung von Studiengebühren belegte. "Wenn der Bund HIS nun die Software-Sparte nimmt, wäre das eine existenzielle Schwächung des Unternehmens, dort verdient es sein Geld", sagte Schulz.

Chaos geht weiter

Statt einer Privatisierung sollten Bund und Länder noch einmal Geld in die Hand nehmen und eine einfachere Version der Zentralsoftware entwickeln, an die HIS besser andocken könne.

Dies steht aber nicht zur Debatte. Stattdessen bieten nun sowohl HIS als auch die "Datenlotsen" Programme an, welche die HIS-Hochschulsoftware anbinden könnten. Doch diese Programme müssen erst geprüft werden. Wenn überhaupt, fließen sie nun in den Start des Pilotbetriebs des neuen Zulassungssystemns ein, den die Stiftung für Hochschulzulassung zum kommenden Wintersemester startet. Er bezieht aber nur 40 der 180 infrage kommenden Hochschulen mit ein - um das Chaos an den Hochschulen aber wirklich in den Griff zu bekommen, wären aber mindestens 125 Teilnehmer nötig.

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