Zukunft von Bundesinnenministerin Faeser: Herz in Hessen, Amt in Berlin

Im Bund hat die Innenministerin viel zu tun. In Hessen rechnet kaum einer damit, dass die SPD-Landeschefin zur Landtagswahl 2023 antritt.

Portrait von Nancy Faeser

Bundesinnenministerin Nancy Faeser Foto: Janine Schmitz/photothek/imago

WIESBADEN taz | Der Druck auf Nancy Faeser kommt derzeit von allen Seiten. Im Bund hat die Innenministerin und Sozialdemokratin mit ihrem Vorstoß zur umstrittenen Vorratsdatenspeicherung die Ampel-Partner der Grünen und FDP gegen sich aufgebracht. Und in Hessen wartet ihre Partei mit wachsender Ungeduld, ob und wann sich die 52-Jährige zur SPD-Spitzenkandidatin für die hessische Landtagswahl erklärt.

Am Montagabend wurde dies im Wiesbadener Stadtschloss greifbar. Landtagspräsidentin Astrid Wallmann und Ministerpräsident Boris Rhein, beide CDU, luden zum parlamentarischen Abend. Nach langer Corona-Zwangspause machte mit der kühlen Herbstluft im Hof die Leichtigkeit die Runde. Ungewöhnlich viele VertreterInnen von Politik, Wirtschaft und Medien waren gekommen. Der Gesprächsbedarf ist groß.

Und auffällig viele Wortbeiträge kreisten an diesem Abend um die Bundesinnenministerin im fernen Berlin. Am Vorabend der wichtigen EUGH-Entscheidung war sie nicht nach Wiesbaden gekommen und ließ diesen Pflichttermin erstmals aus. Faeser ist Chefin der Hessen-SPD. Bis zu ihrer Beförderung nach Berlin war sie hier auch SPD-Landtagsfraktionschefin und galt als Spitzenkandidatin für die Landtagswahl im nächsten Jahr als gesetzt.

„Kommt sie zurück oder bleibt sie in Berlin?“, lautete in vielen Gesprächen die Frage an diesem Abend. Und um das Ergebnis vorwegzunehmen: Angesichts der vielen Baustellen in Berlin wird sie sich im Frühjahr kaum mit voller Kraft in den hessischen Landtagswahlkampf stürzen können. „Wäre ich ihr persönlicher Berater, würde ich ihr davon dringend abraten“, sagt der taz dazu ein alter Fahrensmann.

Ganze Kraft für das Innenministerium?

In Berlin wäre sie bestenfalls noch Innenministerin auf Abruf, sagt ein anderer. Wie lange würde sie das Berliner Amt mit der Bewerbung in Hessen vereinbaren können? fragen LandespolitikerInnen auch aus den anderen politischen Lagern.„Meine ganze Kraft gilt dem Innenministerium“, hat Faeser zuletzt zu Protokoll gegeben, um den Spekulationen um ihre Person etwas entgegenzusetzen. Die hatte sie selbst befeuert, als sie im Mai auf einem Parteitag ihren jubelnden GenossInnen zurief: „Mein Herz schlägt in Hessen!“

Nach fast 25 Jahren Opposition feierte die SPD-Basis diesen Satz als hoffnungsvolle Ankündigung einer Spitzenkandidatin mit Siegchance. Seitdem bemüht sich Faeser erkennbar, die Erwartungen zu dämpfen. Sie freue sich als amtierende Sportministerin auf die Europameisterschaft 2024, sagt sie. Das Finale wird am 14. Juli angepfiffen, fast ein Jahr nach der hessischen Landtagswahl.

Schmallippig reagierte sie zuletzt in Hannover am Rande der Innenministerkonferenz und tat die Frage, ob sie über eine mögliche Kandidatur in Hessen entschieden habe, mit einem „Nein!“ ab. Schon einmal hat sich in Hessen ein amtierender Bundesinnenminister versucht. 1995 trat Manfred Kanther bei der Landtagswahl für die CDU an. Die Sache ging schief. Die CDU holte zwar ein gutes Ergebnis, SPD und Grüne triumphierten jedoch und retteten ihre Mehrheit. Kanther blieb in Bonn Bundesinnenminister, allerdings nur bis zur Abwahl der CDU/FDP-Bundesregierung drei Jahre später.

Ein Jahr vor der nächsten Wahl in Hessen haben fünf der sechs Landtagsparteien ihre Personalentscheidungen getroffen. Für die CDU tritt der neue Ministerpräsident Boris Rhein an, die Grünen schicken ihren Stellvertreter, Wirtschaftsminister Tarek Al-Wazir ins Rennen, erstmals mit dem Anspruch der Partei, die nächste Regierung anzuführen.

Neuer Favorit: Günter Rudolph

„Der Günter will!“ – bei der politischen Konkurrenz und den spekulierenden GenossInnen heißt indes an diesem Abend der Favorit für die SPD-Spitzenkandidatur in Hessen Günter Rudolph, der als Fae­sers Nachfolger bereits Landtagsfraktionschef ist. „Das wäre gut für die Ambitionen der Grünen und schlecht für uns“, kommentiert ein CDU-Mann aus der ersten Reihe.

„Viele, die vielleicht noch Nancy Faeser gewählt hätten, könnten dann den Grünen ihre Stimme geben“, fürchtet er bereits den Machtverlust. „Die Selbstachtung der CDU verbietet es uns, als Juniorpartner einen grünen Ministerpräsidenten zu wählen.“ Und Nancy Faeser wäre für eine grün-rote oder eine Ampel-Regierung die falsche Kandidatin. Auch ihr verbietet die Selbstachtung die Rolle als Juniorpartnerin der Grünen.

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