Zukunft der Stromversorgung: Opposition zürnt über Energieplausch
Die Kanzlerin lässt sich erklären, was getan werden kann, um künftig genug Kraftwerke zu haben. Aus dem Gedankenaustausch wird ein großer Aufreger.
BERLIN taz | Felix Matthes kann nicht verstehen, was der ganze Bohei soll. Als Forschungskoordinator für Energie- und Klimapolitik des Öko-Instituts trug er am Mittwochabend Kanzlerin Angela Merkel (CDU) vor, wie viele konventionelle Kraftwerke Deutschland noch braucht.
Zudem ging es um die Frage, wie die Stromnetze stabil gehalten werden können. „Das war ein entspannter und sachlich interessanter Austausch“, sagte er danach am Telefon.
Irgendwie ist daraus ein Wahnsinnsaufreger geworden. Denn zugegen waren neben Vertretern von Stadtwerken unter anderem auch Eon-Chef Johannes Teyssen und RWE-Chef Jürgen Großmann – und das weckte Argwohn. Wollen die etwa Staatsknete?
Das Problem: Weil immer mehr erneuerbare Energien ins Netz drängen, lohnt der Bau von Kraftwerken für fossile Brennstoffe betriebswirtschaftlich immer weniger. Das sagen auch neutrale Experten wie Matthes. Zumindest Gaskraftwerke sind aber zum Ausgleich der schwankenden Stromerzeugung erneuerbarer Energien nötig.
Ein „schlechter Witz“
SPD-Fraktionsvize Hubertus Heil machte aus dem Treffen einen „schlechten Witz“, es sei keine Zeit für Plaudereien. Man brauche einen Masterplan für die Energiewende. Attac vermutete, die Energiewende solle wieder nur an Konzerninteressen ausgerichtet werden.
Die Grünen sind sich nicht ganz einig: Ihr energiepolitischer Sprecher im Bundestag, Hans-Josef Fell, sagte, man brauche keine neuen konventionellen Kraftwerke für die Wende. Der Grünen-Ministerpräsident von Baden-Württemberg, Winfried Kretschmann, forderte dagegen in einem Brief an Merkel „marktnahe Anreize“ für „flexible Kraftwerke“ – eine Subventionierung fossiler Kraftwerke.
Matthes stellte der Kanzlerin ein gutes Zeugnis aus: „Die Kanzlerin hat sehr informierte Fragen gestellt.“ Einige Agenturen erfuhren dann von diversen Teilnehmern, dass man davon ausgehe, dass es neue, fossile Kraftwerke in Deutschland brauche. Nicht neu, doch daraus wurde im Lauf der Nacht eine dräuende „deutliche Stromlücke“.
Matthes geht davon aus, dass fünf Gigawatt konventioneller Kraftwerke bis 2020 nötig sind und weitere zehn bis 2035, die nur dann laufen, wenn die erneuerbaren Energien nicht genug Strom liefern. „Die heutigen Strommärkte bilden für die notwendigen Investitionen keine hinreichende wirtschaftliche Basis“, trug er knapp vor. Die Kanzlerin entschied am Ende des Informationsgesprächs weniger überraschend: nichts.
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