Zukunft Checkpoint Charlie: Letzter Check am Checkpoint
Die Freiflächen am Ex-Grenzübergang werden bebaut: mit Büros, Läden, einem Museum. Sieben Entwürfe werden in einer Bürgerversammlung vorgestellt.
Hochhaus oder Blockrandbebauung? Eher bieder oder visionär-fantastisch? Noch ist vieles möglich am Checkpoint Charlie zwischen Mitte und Kreuzberg. Nur eines ist sicher: Die Freiflächen rechts und links der Friedrichstraße am ehemaligen Grenzübergang zwischen Ost- und Westberlin werden weitgehend verschwinden. Der Immobilienentwickler Trockland als Eigentümer der Grundstücke hat allerdings zugestimmt, sich vorher einer aufwendigen Prozedur zu unterwerfen.
Wegen der historischen Bedeutung des Ortes gibt es ein öffentliches Beteiligungsverfahren. Dessen Ergebnisse sollen in einen rechtsverbindlichen Bebauungsplan einfließen. Dieser B-Plan legt beispielsweise Wohn‑ oder Gewerbenutzung fest und bestimmt über Bauhöhen. Seit Ende Mai darf sich jeder an der zukünftigen Gestaltung des Ortes beteiligen. Dazu gab es bereits mehrere Informationsveranstaltungen, Stadtspaziergänge und einen Onlinedialog.
Am Mittwochabend folgte nun eine „öffentliche Debatte“, um städtebauliche „Vorgaben und Grundlagen“ zu finden, wie am Checkpoint Charlie gebaut werden wird. Die Senatsverwaltungen für Stadtentwicklung und für Kultur sowie der Investor haben sich dazu auf sieben Architektenbüros geeinigt, die an diesem Abend erste Ideen vorstellen.
Ziel der Veranstaltung sollte es vorerst nur sein, Bedenken und Vorschläge von der im Asisi-Panorama in überschaubarer Stärke versammelten Bürgerschaft einzuholen. Der Checkpoint Charlie ist ja nicht nur ein Touristenmagnet und der Platz für ein zukünftiges, unter Senatsregie betriebenes Mauermuseum, sondern ebenso Alltagsort für Anwohner und Gewerbetreibende. Diese Vielschichtigkeit aus historischer Bedeutung und gegenwärtigem Bedarf, touristischer Nutzung und Interessen der Anwohner macht den Checkpoint zu einer ziemlich diffizilen Angelegenheit.
Historisch schwierig ist schon allein die Tatsache, dass von den der eigentlichen Übergangsstelle vermeintlich wenig übrig geblieben ist. Dennoch hat das Landesdenkmalamt den Ort gerade noch rechtzeitig vor der Bebauung unter Denkmalschutz gestellt. Das Denkmalensemble aus den bisherigen Freiflächen und angrenzenden Gebäuden „verkörpert eine wesentliche historische Zeitschicht der Friedrichstadt“, so die Begründung der Denkmalpflege.
Prägende Elemente für den Denkmalort wären demnach vorhandene Brandmauern, Begrenzungsmauern der Grenzübergangsstelle und Schmuckmauern aus Waschbeton, ein zugehöriges Tor, unterirdische Schächte und Kabelkanäle sowie weitere zu erwartende Reste von Wachstürmen Panzersperren und Sperrmauern im Boden. Was davon unter den geplanten 26.000 Quadratmetern Geschossfläche auf der Westseite und den 23.500 im Osten der Friedrichstraße übrigbleibt? Das dürfte vor allem von dem Entwurf abhängen, der am Ende des Verfahrens beauftragt wird.
Am Mittwoch konnte das Volk also mitsprechen. Von den sieben Architektenbüros präsentierte Caramel aus Wien die konzeptuell wohl interessanteste Idee. Ihr Entwurf lässt nämlich die bestehenden Freiflächen unberührt, nimmt sogar deren Gestalt auf, kippt diese aber in die Vertikale und formt daraus ein 120 Meter hohes, aber nur 20 Meter breites Hochhaus ganz im Westen des Ortes. Ein radikale und geniale Idee, die auch aus denkmalpflegerischer Sicht viel für sich hätte. Entscheidender Nachteil dürfte die Verschattung der Nachbarn hinter dem Hochhaus an der Zimmerstraße sein.
Ein Hochhaus auf Stützen
Chipperfield Architekten wiederum stellen wegen der Abstandsflächen ihr Hochhaus auf Stützen genau über die Friedrichstraße, wo es die Nachbarn noch am wenigsten stören dürfte. In der Nord-Süd-Achse der Friedrichstadt wäre das Hochhaus eine Landmarke; sein aus dem Rahmen fallender Standort zugleich ein Hinweis auf den herausgehobene Bedeutung des Ortes.
Die anderen Büros gaben sich konventioneller, schließlich geht es ja für den Investor auch um lukrative Einzelhandelsflächen im Erdgeschossbereich, was ortsübliche Blockbebauung am besten gewährleisten würde. Graft Architekten kippen die Blöcke aber aus dem Lot, so als würde man sie wie Bauklötzchen schräg in den Sand stecken, womit dann ein Teil der Unterseite ins Freie ragte. Auch keine schlechte Idee, wie überhaupt alle sieben Büros zumindest baubare Ideen ablieferten.
Manfred Kühne, Abteilungsleiter in der Stadtumweltverwaltung, zeigte sich jedenfalls in seinem Schlusswort am Mittwoch „sehr zufrieden“ über den „reichen Schatz von Ideen“. Tatsächlich gab es aus dem Publikum an diesem Abend – anders als es Kühne bei Großprojekten in Berlin gewohnt ist – keinen generellen Dissens. „Eine kleine Sensation“, so Kühne.
Vielleicht liegt es auch daran, dass über das Grundsätzliche längst entschieden ist. Oder wie es Heskel Nathaniel, Chef des Investors Trockland, freudig formulierte: Es gehe nicht mehr um das Ob, sondern nur noch um das Wie.
Im August werden die Entwürfe öffentlich ausgestellt. Am Ende entscheidet sich in einem Architekturwettbewerb, welcher der sieben dann auch umgesetzt wird.
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